Avifaunistische Kommission
der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft
(NWO)



Vogel des Monats
April 2008
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Sie kam aus dem fernen Osten: Die Pazifiktrauerente

Erster Nachweis in Nordrhein-Westfalen (Erstnachweis für Deutschland)
- Ein Highlight im März 2003, das fast nicht beachtet worden wäre…

Von Alfons Pennekamp


Seit vielen Jahren werden in den Winterhalbjahren unter der Federführung von Andreas Buchheim wöchentlich Wasservogelzählungen im Raum Haltern durchgeführt. Auch am 22. März 2003, einem Samstag, musste gezählt werden - eine Aufgabe, die ich normalerweise gerne übernehme, nur an diesem Tag nicht. Hintergrund meines Zögerns war die am selben Tag stattfindende Jahrestagung der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO), die auch noch im nahe gelegenen Recklinghausen stattfand. Also ein Heimspiel. Ich musste dennoch in den sauren Apfel beißen, denn Andreas war verreist. Um wenigstens an einem Teil der Veranstaltung teilnehmen zu können, wollte ich mich beeilen.

Gegen 10.00h traf ich am Halterner Stausee (Koordinaten 7°13’E, 51°44’ N) ein. Am ersten Zählpunkt, gegenüber einem  großen Hotelkomplex, dümpelten wie gewöhnlich Stockenten, Reiherenten, Tafelenten und Haubentaucher. Einige Lach- und Silbermöwen saßen auf den Spülröhren, die zum Transport des aus dem See ausgebaggerten Sandes und Sedimentes genutzt werden. Es waren die restlichen, morgens  noch  anzutreffenden Möwen vom bekannten Möwenschlafplatz. Kormorane tauchten im See. Eine typische Szene, wie wir sie häufig antreffen.

Um keine Zeit zu verlieren, begann ich sofort, die Vögel auf dem See zu zählen.
Als die Zählung an die Blässhühner ging, die im vorderen südlichen Seeteil etwa 150-200m vor mir tauchten, stutze ich. Zwischen den Blässhühnern schwamm eine deutlich anders aussehende ‚Ralle’ in westliche Richtung. Etwas überrascht schaute ich mir die komische Ralle kurz an und erkannte, dass es sich um eine Trauerente handelte, und zwar um ein Männchen. Auffällig war, dass der Schnabel großflächig bis über den Schnabelhöcker zur Schnabelbasis hin gelb-orange gefärbt war. Bei genauerem Hinsehen mit dem Spektiv konnte man schemenhaft vor dem Orange eine dunkle Schnabelspitze erkennen.

Fotos 1-3

Die Trauerente ist in Haltern ein nicht so häufiger Gast, aber dennoch nicht ungewöhnlich. Zwar gab es bisher keine Frühjahrsnachweise, sondern alle Trauerenten – übrigens alles Jungvögel – wurden im Herbst beobachtet. So war also die Beobachtung zu dieser Jahreszeit ungewohnt, aber hat man das immer im Kopf?

Die Ente hatte ein schwarzes, etwas braun angehauchtes Gefieder, typisch für eine vorjährige Trauerente. Der für Trauerenten-Männchen typische orange Schnabel war auch im Fernglas deutlich zu sehen, vielleicht etwas zu auffällig… Da ich unter Zeitdruck stand, machte ich einige mehr schlecht als rechte Belegfotos. Digiskopie war gerade erst im Kommen, und ich machte meine Versuche aus der Hand mit meiner Digitalkamera (Olympus Camedia E-100RS) und meinem Optolyth-Spektiv (TBG 80 mit 20-60 fachen Zoom-Okular). Für genauere Beobachtungen blieb ja nicht viel Zeit…

Nachdem alle Zählpunkte des Tages abgegrast waren, konnte ich endlich am späten Mittag nach Recklinghausen zur NWO-Veranstaltung. Hier erzählte ich einigen Freunden von der Beobachtung und sandte diese Information später als E-Mail auch an  Bekannte, aber das Interesse bei allen war nicht groß. Trauerenten sind zwar nicht häufig, doch die etwas späte Tageszeit und die damit verbundenen schlechten Lichtverhältnisse, aber auch die zu erwartenden Vorträge waren verlockender.

Leider hatte ich auch an den folgenden Tagen nicht mehr die Zeit, zum See zu fahren. Die  Daten verschwanden in meiner Mappe, die Fotos wurden auf dem PC  abgespeichert, und das Thema schien zunächst erledigt.

Einige Zeit später,  am 19. April 2003, besuchte mich Martin Gottschling. Bei einer oder zwei Tassen Tee besprachen wir verschiedene ornithologische Themen (was auch sonst). Dabei kam das Gespräch auf die Trauerentenbeobachtung. Inzwischen gab es Meldungen und Fotos von Pazifiktrauerenten (Melanitta americana) vom 28. März 2003 aus Dänemark und etwa um dieselbe Zeit (glaube ich) aus Belgien. Martins Interesse war geweckt. Ich zeigte ihm die Fotos, die ich bis dahin auch nicht mehr angesehen hatte. Wir schauten sie uns an, und Martin meinte, dass es eine Pazifiktrauerente sein könnte. In dem Moment war auch mir klar, was mich die ganze Zeit über gestört hatte: Der Schnabel passte nicht. Wir kontrollierten noch einmal die Fotos und wälzten ein wenig Literatur. Danach stand für uns beide fest, dass es sich nur um eine Pazifiktrauerente handeln konnte. Ich schickte noch am gleichen Tag die Fotos an Axel Müller mit der Bitte, etwas zu dem Vogel anhand der zugegeben etwas unscharfen Bilder zu sagen. Axel war ebenfalls der Ansicht, es sei ein in der Tat sehr interessanter Vogel, und es könne sich durchaus um eine Pazifiktrauerente handeln. Dies wäre der Erstnachweis für Deutschland. Ende April 2003 ging dann die offizielle Meldung an die Avifaunistische Kommission der NWO. Der Nachweis wurde dann als Erstnachweis von der Deutschen Seltenheitenkommission (DSK) anerkannt, und somit findet sich die Pazifiktrauerente auch auf der Deutschen Artenliste wieder.

Hat man ja nicht jeden Tag, dass in NRW ein deutscher Erstnachweis gelingt - und dann noch von einem Meeresvogel!

Mein Dank geht insbesondere an Martin Gottschling, der mich auf die richtige Spur brachte, sowie an Andreas Buchheim dafür, dass er an diesem Tag verhindert war.

Fotos 4 und 5

Literatur:
www.netfugl.dk

Anschrift des Verfassers:

Alfons Pennekamp
Dahlstr. 128a
45711 Datteln