Avifaunistische
Kommission
der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) |
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Vogel des Monats |
Dezember 2008 |
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Er kam aus Amerika – Der Weißbürzel-Strandläufer Von Michael Kuhn Es war ein sonniger Morgen am 22. Mai 1988, als Eckhard Härtel und ich gegen halb neun Uhr vom Deich aus die Vögel in den Klärteichen der Zuckerfabrik Euskirchen beobachteten. Wahnsinnig viel los war da gerade nicht: Ein paar Stockenten, 10 Kiebitze, ein Rotschenkel, 4 Flussregenpfeifer, 2 Flußuferläufer und - einer sah komisch aus… Beim ersten Hinsehen wirkte er ohne Größenvergleich wie ein Alpenstrandläufer, aber ein paar Merkmale machten uns stutzig. Mit Hilfe von Fernglas und Spektiv konnten wir auf 30-40 Meter Distanz mit der Sonne im Rücken folgende Kennzeichen feststellen und notieren: Er war geringfügig größer als die anwesenden Flussregenpfeifer, aber auch erheblich kleiner als die Flussuferläufer. Sein Hals war kurz, sein Schnabel geringfügig länger als sein Kopf. Die Länge seiner Beine war im Verhältnis zur Körperlänge schwer beschreibbar, im Verhältnis wohl geringfügig kürzer als bei den Flussregenpfeifern. Die Flügelspitzen überragten den Schwanz um etwa 6-8 Millimeter. Fotos 1-7 Der Strandläufer – denn um einen solchen handelte es sich ohne Zweifel – zeigte einen kräftigen breiten Überaugenstreifen vom Schnabelansatz bis zum Nackenband, in der Grundfarbe weißlich mit einzelnen zarten Schaftstrichen darin. Sein Oberkopf war rotbraun mit feinen Schaftstrichen, wie eine Platte wirkend, die sich zu einem Aalstreifen im Nacken verjüngte. Die Stirn war grauweißlich mit feiner Strichelung. Der Nacken war beiderseits des Aalstreifens graubraun gestrichelt, das Wangenfeld rostbraun gestrichelt. Zwischen Auge und Schnabelansatz war ein breiter dunkler Streifen zu erkennen. Das Kinn war weiß und ungestreift. Brust und Hals zeigten auf weißer Grundfarbe kurze, engliegende, dünne, aber markante schwarze Schaftstriche, scharf abgesetzt zum weißen Bauch. Die Halsstreifung war feiner als die der Brust mit allmählichem Übergang. Die gesamten Unterschwanzdecken waren reinweiß. Etwa je 10 Flankenfedern mit V-förmiger dunkler Zeichnung endeten hinter dem Beinansatz. Auf der Oberseite konnten wir zwei V-Zeichen aus weißbraunen Säumen erkennen, das kleine V auf dem Vorderrücken markant, das zweite V aus weißgesäumten Schulterfedern etwas undeutlicher. Der Vorderrücken war schwarzbraun mit hellbraunen Federsäumen, die Schultern zeigten zwischen den beiden V’s schwarzbraune, sandbraun gesäumte Federn mit einzelnen rostbraunen Flecken. Auf den kleinen, mittleren und großen Oberflügeldecken waren schwarzbraune Federzentren, rotbraune und braune, sandbraun gesäumte Federseiten zu erkennen. Die Schirmfedern waren schwärzlich mit sandbraunen Säumen, die Handschwingen schwarz ohne Säume. Im Flug war deutlich zu sehen, dass die Oberschwanzdecken weiß waren. Nur die äußeren Federn der hinteren Reihe zeigten eine Subterminalbinde. Die Schwanzfedern waren dunkel, die mittleren dunkler als die äußeren. Auf dem Flügel war ein dünner, wenig auffallender Flügelstreif zu erkennen, der Endsaum der Großen Armdecken (im Bereich der Handdecken nur noch angedeutet). Foto 8 Sein Schnabel war am Ansatz relativ hoch, verjüngte sich aber zur Spitze zu stark. Die Spitze selbst war stumpf, das vordere Drittel des Schnabels schwach nach unten gebogen. Der Schnabel war schwarz, an der Unterschnabelwurzel war ein scharf abgesetzter, sehr kleiner orangefarbener Fleck zu erkennen. Die Beine wirkten im Schatten schwarz, im Licht dunkelgrau. Die Iris war dunkelbraun. Er ließ auch mehrfach bei Standortwechseln im Flug seine Stimme hören: Sie klang wie ein dünnes „tziet“, meist zweimal hintereinander. Bei der Nahrungssuche machte der interessante Strandläufer schnelle Stocherbewegungen. Dabei geriet er mehrfach in tieferes Wasser, wobei er fast schwamm, aber wohl gerade noch Bodenkontakt hatte. Wir hatten da so einen Verdacht: Es gibt nur zwei der kleinen Strandläufer-Arten, bei welchen die Flügel den Schwanz erheblich überragen. Der Bairdstrandläufer (Calidris bairdii) hat aber dunkle Oberschwanzdecken. Es gibt noch andere kleine Limikolen mit weißen Bürzelfedern oder Oberschwanzdecken, zum Beispiel Sichelstrandläufer, Bindenstrandläufer und andere. Die gut gesehene V-förmige Flankenzeichnung ist nur eines von vielen weiteren Merkmalen, das den Weißbürzel-Strandläufer (Calidris fuscicollis) von diesen unterscheidet, denn um einen solchen handelte es sich ohne Zweifel. Es konnte auch kein Sichelstrandläufer mit halb abgebrochenem Schnabel sein, wie er kurz zuvor aus den Niederlanden beschrieben worden war. Da die beobachtete Gefiederzeichnung zwischen den in der Literatur beschriebenen Merkmalen von Brutkleid und Jugendkleid liegt, wurde der Vogel von uns als Weißbürzel-Strandläufer vermutlich im 1. Sommerkleid bestimmt. Eckhard Härtel gelang eine ganze Serie von Fotos. Der seltene Gast blieb zum Glück über Nacht und konnte daher am 22. und 23. Mai noch von einer Reihe weiterer Beobachter, die wir möglichst schnell per (Festnetz-)Telefon alarmiert hatten, wie Wolfgang Stickel, Klaus Jaschke, Rolf Erhard, David Gray, Norbert Wittling, Winfried Toedt und Jürgen Dömling bestaunt werden. Zum Vergleich: Ein Weißbürzel-Strandläufer im abgetragenen Prachkleid (ebenfalls weit weg von zu Hause): Fotos 9-10 Die Meldung wurde wenige Wochen später von der Seltenheiten-Kommission der damaligen Gesellschaft Rheinischer Ornithologen (GRO) und danach auch vom Bundesdeutschen Seltenheitenausschuss (BSA 1990) als erster Nachweis dieser nordamerikanischen Art in Nordrhein-Westfalen und bis dahin 5. Nachweis für Deutschland anerkannt. Es sollte bis heute auch der einzige für unser Bundesland bleiben. Hoffentlich lässt der Nächste nicht allzu lange auf sich warten… Nachwort: Die Beschreibung des Vogels ist in der Wortwahl weitgehend aus dem damaligen Beobachtungsprotokoll übernommen, zum Beispiel „Vorderrücken“ statt „Mantel“, wie es heute normal ist. Die Handschwingenprojektion konnte damals noch nicht berücksichtigt werden, weil wir sie schlicht und einfach nicht kannten. Als Bestimmungsliteratur gab es den berühmten „Peterson“ und den „Parey“ (5. Auflage). „Shorebirds“ war 1986 erschienen und wurde damals als Nonplusultra empfunden. Diese drei „Standardwerke“ hatten noch nichts von ‚Handschwingenprojektion’ gehört. Der entscheidende Wendepunkt mit „The New Approach“ erschien erst 1989. Dies nur als Versuch, sich die Feldornithologie bezüglich Bestimmung vor zwanzig Jahren bei uns vorzustellen… Literatur: Bundesdeutscher Seltenheitenausschuss (1990): Seltene Vogelarten in der Bundesrepunblik Deutschland 1987 und 1988. Limicola 4: 183-212. Grant, Peter & Killian Mullarney (1989): The New Approach to identification. Ashford Haymann, Peter et al. (1986): Shorebirds – An identification guide to the waders of the world. London Anschrift der Verfasser: Michael Kuhn Bonner Ring 54 50374 Erftstadt |
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