Avifaunistische
Kommission
der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) |
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Vogel des Monats |
Juli 2007 |
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Er kommt aus dem Süden: HABICHTSADLER Von Klaus Hubatsch Es schien nicht unser Tag zu sein. Erst mussten wir den Garten umgraben. Dann kamen meine Söhne Markus und Daniel deprimiert von ihrer zweiten Fahrstunde nach Hause. Ein letzter verkrampfter Versuch, noch irgendwas zu retten, sollte ein Kurz-Trip ins ca. 20km entfernte Naturschutzgebiet Lüsekamp an der holländischen Grenze sein, um eventuell ein paar durchziehende Ringdrosseln (von denen wir später sechs sahen), Blaukehlchen oder einen Zistensänger zu sehen, der hier schon zweimal in vergangenen Jahren gesungen hatte. Es war Donnerstag, der 12. April 2007. Als ich den Fahrschülern schon zum x-ten Mal Kupplung und Gas erklärt hatte und wir schließlich im Gebiet waren, sahen wir plötzlich rechts über uns einen Greifvogel, dessen Kopf und Unterseite mir zu hell für einen Mäusebussard schien, sodass ich zuerst an eine Rohrweihe dachte. Nichts Besonders also. Hinzu kamen drei Mäusebussarde. Dennoch nahmen wir unsere Ferngläser hoch: „Was ist das denn??? Doch keine Weihe. Ist doch viel größer als die Bussarde!!!“ „Was ist es denn dann?“ „Weiß ich nicht!!! DANIEL, KAMERA RAUS!!! DAS KANN WAS BESONDERES SEIN!!!“ Und Daniel schoss los, sodass er denn Vogel nur durch den Sucher seiner Kamera sah. Wenige Momente später rief Markus „Das ist ja ein junger Habichtsadler!“ WAS?! Ich wollte es zunächst noch nicht glauben. Aber tatsächlich: Unterseits waren Körper und Flügeldecken hellrötlich/beige, die Flügelspitzen schwärzlich, die Schwung- und Steuerfedern dunkelgrau, wobei diese hell gebändert waren. Im Handflügel war ein hellgraues Feld zu sehen. Deutlich zu sehen war auch ein schwarzes Band, welches die rötlich-beigen von den gräulichen Teilen der Unterflügel trennte und zum Bauch hin immer schwächer wurde. Die Oberseite war bräunlich. Auf dem Rücken war ein heller Fleck zu sehen. Die Flügel waren deutlich angewinkelt, nicht brettartig. Gut 10 Minuten beobachteten und fotografierten wir den Vogel; er kreiste ausgiebig und hatte anscheinend auch Interesse am Gebiet, aber die Mäusebussarde duldeten keinen stärkeren Eindringling in ihr Revier, sodass dieser es vorzog, nach Osten abzustreichen. Für die holländischen Nachbarn dürfte dies ein schwarzer Tag gewesen sein, da der Vogel nur gut 100m von der niederländischen Grenze entfernt war und einfach nicht über die Grenze fliegen wollte. Pech! Aus den Niederlanden gibt es nämlich bislang erst zwei Nachweise: 1. 24.01.1958 Breedenbroek, Gendringen, juv 2. 17.-20.9.1995 Vliehors, Vlieland, juv. Foto 1 Foto 2 Foto 3 Foto 4 Foto 5 Wir waren uns jedoch noch nicht 100-prozentig sicher. Von der Frage, wie man jetzt genau schaltet, ohne dass der Wagen ausgeht, war auf der Heimfahrt nun keine Rede mehr. Kaum zu Hause angekommen, wurden die Fotos auf den PC „geklatscht“; der ‚Svensson’ lag daneben: „Wenn der jetzt aussieht wie hier der,…MEIN GOTT…“ Der Vogel auf den Fotos sah genau so aus wie der junge Habichtsadler im ‚Svensson’. EINDEUTIG!!! TATSÄCHLICH EIN HABICHSADLER! „Unglaublich!“ war wohl das für den restlichen Tag meist benutzte Wort. Der Habichtsadler ist Standvogel. Die nächsten Brutplätze liegen in Südfrankreich. Ferner ist er spärlicher Brutvogel (aber überall mit lückenhafter Verbreitung) in Spanien, Sardinien, Sizilien, im südlichen Balkan, der Türkei und im Nahen und Mittleren Osten. Nur Jungvögel scheinen eine gewisse Zugdiversität zu haben. Der deutsche Erstnachweis betrifft einen Totfund eines Männchens (2.Kalenderjahr) vom 01.05.1976 aus dem Hakel, Sachsen-Anhalt (Stubbe und Uhlenhaut 1977). Danach ist dies der zweite gemeldete Nachweis. Der Habichtsadler von der holländischen Grenze ist von der Avifaunistischen Kommission der NWO einstimmig anerkannt worden. Die Meldung geht jetzt mit diesem Votum an die Deutsche Seltenheitenkommission (DSK) zur endgültigen Entscheidung. Interessant zu erwähnen ist, dass Benjamin Steffen und Martin Gottschling von der Avifaunistischen Kommission der NWO beim Betrachten der Fotos entdeckten, dass der Lüsekamper Habichtsadler beringt war (Alu und gelb), was wir im Feld zuvor gar nicht gesehen hatten. Dies weist eindeutig auf einen Adler hin, der in Südfrankreich beringt wurde. Möglicherweise wurde er sogar an dem uns bekannten Brutplatz in den Alpillen beringt und hat dann exakt die Strecke an der Autobahn zurückgelegt (ohne Stau), die wir von Roermont/NL (3km vom Lüsekamp entfernt) über 1.000 km so oft in die Provence genommen haben. Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass Mitte April bei uns in Mitteleuropa wohl aufgrund der südwestlichen Winde noch eine Reihe weiterer Arten aus dem Mittelmeergebiet gesehen wurden (Rallenreiher, Stelzenläufer, Blaumerle, Dünnschnabelmöwe, Maurensteinschmätzer, Iberischer Zilpzalp). Vielen Dank, Gerd Rotzoll, für wichtige Literaturhinweise! Literatur: Hellberg, T. & F.U. Schmidt (2007): Vogelkundliche Besonderheiten im Landkreis Soltau-Fallingbostel 2005/2006. Naturkundliche Beiträge Soltau-Fallingbostel 13/14, S. 89-148. Stubbe, M. & K. Uhlenhaut (1977): Habichtsadler in der DDR. Der Falke 24, Heft 6, S.192-197. Anschrift des Verfassers: Klaus Hubatsch, Hombergen 68, 41334 Nettetal |
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