Avifaunistische
Kommission
der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) |
||
Vogel des Monats |
Juli 2008 |
|
pdf-Version Hier geht es zu den älteren Beiträgen: Archiv |
Sie kommen vom Atlantik: Sturmschwalben Von Eckhard Möller Merkwürdiges Ding! Da lag am 1. Dezember 1965 ein kleiner schwarzer Vogel auf dem Rasen des Sportplatzes in Rödinghausen-Ostkilver (Kreis Herford). Er fiel dem Schüler Peter Jong sofort auf und lebte zu dem Zeitpunkt noch. Eine frische Wunde am Hinterkopf und offensichtliche Erschöpfung zeigten, dass es ihm nicht gut ging. Er starb kurz danach. Am folgenden Tag wurde der bis dahin unbekannte Vogel im Bünder Freiherr-vom-Stein-Gymnasium von Eckart Pott (Schüler) und Biologielehrer Stothfang als Sturmschwalbe (Hydrobates pelagicus) identifiziert. Diese Bestimmung wurde dann kurz darauf von Dr. Rolf Lachner, damals in Bünde die Autorität in ornithologischen Fragen, bestätigt. Glücklicherweise wurde das Tier anschließend – sicher auf Betreiben Lachners – an das LWL - Landesmuseum für Naturkunde in Münster abgegeben, wo der Balg heute in der Sammlung aufbewahrt wird. Fotos 1-2 Ende November/Anfang Dezember 1965 beherrschten heftige Nordweststürme die Wetterlage. Pott & Lachner (1967) vermuten sicher zu recht, dass der Meeresvogel dadurch „mindestens 300 km landeinwärts“ verdriftet worden sei. Es war aber nicht die erste Sturmschwalbe, die in Westfalen gefunden worden war: Schon Hermann Landois, gegen Ende des 19. Jahrhunderts führender Zoologe des Landes, schrieb in seinem Buch „Westfalens Tierleben“ (1886), dass sogar im gebirgigen Sauerland einzelne beobachtet worden seien und dass heftige Stürme sie ins Binnenland verschlagen hätten. Solche alten Angaben lassen sich heute natürlich nicht mehr im Einzelnen belegen. Brunhild Gries führt in Peitzmeiers „Avifauna von Westfalen“ (1969) nur zwei Nachweise auf: 1865 soll eine Sturmschwalbe in der Nähe von Münster geschossen worden sein, von der Reichling (1932) nach Angaben des Zoologen Johann Bernard Altum (1824-1900) berichtete, und als die zweite gilt die aus dem Kreis Herford 1965. Fast auf den Tag genau 8 Jahre später fand J. Heinert am 2. Dezember 1973 am östlichen Stadtrand von Soest eine noch lebende Sturmschwalbe, die am folgenden Tag starb (Moysich 1975, Peitzmeier 1979). Auch dieser Vogel befindet sich jetzt im LWL - Landesmuseum für Naturkunde in Münster. Fotos 3-5 Für den Landesteil Rheinland führt Mildenberger (1982) 6 Nachweise an; einer davon bezieht sich allerdings auf eine alte Angabe von vor 1843 aus dem heutigen Regierungsbezirk Trier in Rheinland-Pfalz. Mildenberger listet auf: - Zwischen 1854 und 1858 wurde eine Sturmschwalbe auf der Wupper in Wuppertal-Elberfeld gefangen und getötet. Der Balg soll in der Sammlung des Naturwissenschaftlichen Vereins Elberfeld sein. - Am 15. November 1866 wurde eine tote Sturmschwalbe auf der Rheinwerft in Düsseldorf gefunden. - Am 14. September 1948 flog eine Sturmschwalbe bei Bonn über dem Rhein (Przygodda 1949). - Am 17. Oktober 1961 wurde wieder am Rhein in Köln-Riehl eine tote Sturmschwalbe gefunden. Der Balg soll in der Sammlung des Zoologischen Instituts der Universität Köln sein. - Am 18. Oktober 1970 flog eine Sturmschwalbe rheinaufwärts bei Köln-Porz (nach Blana 1974). Das „Kompendium der Vögel Mitteleuropas“ (Bauer et al. 2005) gibt für Nordrhein-Westfalen genau diese Nachweise an, nämlich 3 aus dem 19. und 5 aus dem 20. Jahrhundert. Damit hält sich NRW im Rahmen anderer deutscher „Binnenländer“ ohne Küste wie zum Beispiel Bayern (2 Nachweise), Baden-Württemberg (1 Nachweis), Thüringen (3 Nachweise), Brandenburg (weniger als 10 Nachweise). Foto 6-7 Die Verbreitungskarte im „Kompendium“ zeigt die Brutplätze der Art an den Küsten Europas, auch die im Mittelmeerraum. Der europäische Bestand wird auf rund eine halbe Million Brutpaare geschätzt, davon allein die Hälfte auf den Färöer-Inseln und bis zu Hunderttausend auf Island. In Frankreich dagegen brüten nur rund 800 Paare. Bald wird die Sache komplizierter: Eine spannende Aufgabe der nahen Zukunft wird es sein, eine weitere Art, nämlich „Mittelmeer-Sturmschwalben“, vielleicht auch in Deutschland nachzuweisen. Dieses Taxon ist zum Beispiel seit dem 1. Januar 2008 bei unseren Nachbarn in den Niederlanden als eigene Art Hydrobates melitensis („Mediterraan Stormvogeltje“) anerkannt (van den Berg 2008, Redactie Dutch Birding 2008). Grundlegende Fakten zu dieser Bewertung sind in dem hervorragenden Buch von Magnus Robb, Kilian Mullarney & The Sound Approach (2008) über „Petrels night and day“ enthalten, das kürzlich veröffentlicht worden ist. Die Aufsplittung beruht neben einigen morphologischen Feinheiten vor allem auf den deutlich unterschiedlichen Rufen der beiden Taxa (Millington 2008). Weitere Länder-Kommissionen, die für taxonomische Fragen zuständig sind, in anderen europäischen Staaten werden dieser Entscheidung sicher in den nächsten Jahren folgen. Es gibt bereits Nachweise außerhalb des Mittelmeers im Atlantik… Danksagung: Ich möchte mich bei Axel Müller, Harro Müller und Dr. Henning Vierhaus für die freundliche Unterstützung bei den Recherchen bedanken. Literatur Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. Wiebelsheim. Blana, H. (1974): Avifauna des südlichen Bergischen Landes. Staatsexamensarbeit (unpubliziert). Landois, H. (1886): Westfalens Tierleben. Paderborn/Münster. Mildenberger (1982): Die Vögel des Rheinlands Band I: Seetaucher – Alkenvögel. Düsseldorf. Millington, R. (2008): Seabird splits in the Western Palearctic. Birding World 21: 214-215. Moysich, F. (1975): Sammelbericht für den Zeitraum 1.7. – 31.10.1974. Alcedo 2: 34-38. Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Peitzmeier, J. (1979): Anhang zu Avifauna von Westfalen. Abhandlungen aus dem Landesmuseum für Naturkunde zu Münster Westfalen 41, Heft 3/4: 477-576. Pott, E. & R. Lachner (1967): Sturmschwalbe (Hydrobates pelagicus) bei Bünde. Upupa 1:9. Przygodda, W. (1949): Einige bemerkenswerte Vogelarten bei Bonn und Köln von 1948. Ornithologische Mitteilungen 3: 20-22. Redactie Dutch Birding (2008): Naamgeving van taxa in Dutch Birding. Dutch Birding 30: 20-22. Reichling, H. (1932): Beiträge zur Ornis Westfalens und des Emslandes. Abhandlungen aus dem westfälischen Provinzialmuseum für Naturkunde 3: 307-362. Robb, M., K. Mullarney & The Sound Approach (2008): Petrels night and day – a Sound Appoach Guide. Poole. Van den Berg, A. (2008):Dutch Birding vogelnamen – lijst van West-Palearctische Vogelsoorten 2008. Amsterdam. Anschrift des Verfassers: Eckhard Möller Stiftskamp 57 32049 Herford |
|
|
||
|
||