Avifaunistische
Kommission
der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) |
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Vogel des Monats |
September 2007 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Er kommt aus dem arktischen
Nordamerika:
Der Bairdstrandläufer von Jan Ole Kriegs Am Morgen des 28.08.2004 wurde ich von meinem Handy aus dem Schlaf gerissen. Jörg Kremer (Mülheim) teilte mir mit, dass er über Jan Heckmann (Breitscheid-Erbach/Hessen) von Thorsten Seibel (Dillenburg/Hessen) den Hinweis auf einen möglichen Bairdstrandläufer Calidris bairdii in den Rieselfeldern Münster bekommen hätte, der dort von einem bis dato nicht namentlich erwähnten Vogelgucker am selben Morgen beobachtet worden sei. Wie bitte, was? Ein klarer Fall von Stiller Post? Ich wurde langsam wach. Das Risiko war zu groß, eine solche Seltenheit durch ein ausgedehntes Frühstück zu verpassen. Also fuhr ich, so schnell es ging, mit dem Fahrrad zur E1-Fläche der Rieselfelder. Dort angekommen ließ mich Wolfgang Podzun (München) – er war der Entdecker - direkt durch sein Spektiv schauen. Ich konnte für Sekunden einen Bairdstrandläufer sehen, bevor sich sämtliche Vögel auf der Fläche wegen eines herannahenden Wanderfalken erhoben. War das wirklich ein Baird? Nach bangen Minuten saßen alle Limikolen wieder auf der Fläche – inklusive eines juvenilen Bairdstrandläufers! Nachdem ich einige digitale Fotos durch mein Spektiv gemacht hatte, verständigten wir weitere Beobachter, die noch am selben und an folgenden Tagen in größeren Mengen von überall her erschienen. Foto 1 Foto 2 Beschreibung Größe und Gestalt: Der Strandläufer war etwas kleiner als ein Alpenstrandläufer. Die große Flügelprojektion verlieh dem Vogel ein lang gezogenes und spitz wirkendes Hinterteil. Trotz der recht langen Schirmfedern waren 3-4 Handschwingenspitzen sichtbar (Handschwingenprojektion etwa 100%). Von vorn betrachtet zeigte der Vogel die typische zu den Seiten hin abgeflachte ovale Körperform, die durch abstehende Flankenfedern noch unterstrichen wurde (Foto 3). Foto3 Der schwärzliche Schnabel war etwas länger als der Kopf, gerade und spitz zulaufend. Die dunklen Beine waren in etwa so lang wie der Körper an ihrem Ansatz hoch. Gefiederfärbung: Die Grundfärbung von Kopf, Hals, Brust und Oberseite war bräunlich-beige. Rücken und Flügel waren dabei kälter getönt als Kopf, Hals und Brust, die auf heller beiger Grundfärbung diffus dunkler gestreift oder gefleckt waren. Der Überaugenstreif war etwas heller als die übrige Kopffärbung, während der Zügel wenig dunkler und die Kehle weißlich und ungezeichnet war. Rücken-, Schulter-, Deck- und Schirmfedern hatten kalt-bräunliche Zentren und klar begrenzte weißliche, gräuliche oder beige Säume. Das so gebildete saubere Schuppenmuster ist typisch für das Jugendkleid (s. Fotos 1-5, vgl. mit dem adulten Baird (August) auf Fotos 6-8, der oberseits sowohl Pracht- als auch Schlichtkleidfedern zeigt). Bauch und Unterschwanzdecken waren weiß. Im Flug waren eine helle Flügelbinde kombiniert mit einem diffusen hellen Flügelstreif erkennbar. Bürzel oder Oberschwanzdecken waren nicht weiß gefärbt, die mittleren Oberschwanzdecken und Schwanzfedern dafür dunkler als der Rest. Foto 4 Foto 5 Ruf: Im Flug wurde ein einsilbiger rollender und metallisch-schriller Ruf geäußert: „Schrritt!“ , rollender als Alpen-, schriller als Sichel- (auch höher als dieser) und tiefer als Temminckstrandläufer. Verwechselt wurde der Bairdstrandläufer in der Vergangenheit vor allem mit dem kräftiger und wärmer gezeichneten Weißbürzel-Strandläufer (siehe auch [1]), dem Temminckstrandläufer und - wie ich aus eigener Erfahrung weiß - dem Sanderling im abgetragenen Prachtkleid, sogar auch schon mal mit dem Zwergstrandläufer, aber lassen wir das. Verbreitung Die Brutgebiete des Bairdstrandläufers reichen vom nordwestlichsten Grönland durch das arktische Kanada, Alaska bis auf die Tschuktschen-Halbinsel in Ostsibirien, wo die Art seit vielen Jahren Fuß gefasst hat und sich ausbreitet. Als echter Langstreckenzieher überwintern Bairdstrandläufer in Südamerika südlich des Äquators und dort vornehmlich an Binnengewässern. Auftreten in Europa Im Vergleich zu seinem Verwandten, dem Weißbürzelstrandläufer Calidris fuscicollis, der ebenfalls in der nordamerikanischen Arktis brütet, ist der Bairdstrandläufer in Europa deutlich seltener. Dies hängt wohl mit den unterschiedlichen Zugstrategien der beiden Arten in Nordamerika zusammen (vgl. Grafik 1). Der Weißbürzelstrandläufer führt einen so genannten Schleifenzug durch, bei dem die Altvögel in der zweiten Maihälfte durch den zentralen Kontinent nach Norden ziehen, während sie im Sommer, ebenso wie die Jungvögel im Herbst, weiter östlich entlang der Atlantikküste wieder nach Süden fliegen und dabei wohl gelegentlich den Atlantik überqueren. In die Alte Welt verfrachtet machen die Weißbürzelstrandläufer dann, ganz so als ob nichts gewesen wäre, weiter mit ihrem Schleifenzug (mit Ostkomponente), was sich auch am Muster der europäischen Nachweise sehen lässt [2-4]. Der Bairdstrandläufer hingegen zieht sowohl auf dem Heimzug im Frühjahr als auch auf dem Wegzug im Sommer und Herbst schnurstracks durch den zentralen nordamerikanischen Kontinent (ohne die Ostkomponente des Weißbürzelstrandläufers). Die Masse setzt ihren Weg in die südamerikanischen Anden dann über den östlichen Pazifik fort, und nur wenige scheinen einen Bogen über den westlichen Atlantik zu fliegen. Wohl aus diesen Gründen wird der Bairdstrandläufer etwa zweieinhalb mal seltener in Europa beobachtet [5]. Neben den inneren Zugrichtungspräferenzen scheint das Auftreten nearktischer Limikolen stark von der Großwetterlage über dem Atlantik (unter anderem dem NAO-Index) abzuhängen, wie eine Auswertung der französischen Nachweise zeigt [6]. Vergleich der Zugwege
Eine Auswertung der britischen Nachweise zeigt deutlich, dass die Masse der Nachweise Jungvögel im Herbst betrifft [5]. Dies spiegelt sich auch im restlichen Europa wider (Tabelle 1). Die wenigen Nachweise von Altvögeln im Frühjahr gehen möglicherweise auf Individuen zurück, die nach einer herbstlichen Atlantiküberquerung in Afrika überwintert haben und auf dem „Heimzug“ ins arktische Europa fliegen. Nach einem kurzen Sommer in der Arktis fliegen sie dann wieder nach Süden und machen das schwache Altvogel-Maximum im Juli/August aus. Das ist zwar aufgrund der wenigen Nachweise statistisch nicht zu belegen, doch ist das Verhältnis Mai-Nachweise zur Gesamtzahl der Nachweise in Deutschland (2/6), Norwegen (2/3) und Schweden (1/7) größer als in Großbritannien (4/199) und Irland (1/79). Die Bairdstrandläufer könnten sowohl über den Atlantik aus Nordamerika als auch aus der wachsenden Population in Ostsibirien stammen (siehe die nicht zu verachtende Zahl von Nachweisen juveniler Vögel im östlichen Europa in Tabelle 1). Die Gesamtverteilung der europäischen Nachweise mit einer überwältigenden Mehrheit an den westeuropäischen Küsten und die doch große Distanz zu den Brutgebieten in Ostsibirien lassen jedoch auf eine überwiegend amerikanische Herkunft schließen. Aus Deutschland gibt es sechs von der Deutschen Seltenheitenkommission (DSK) anerkannte Nachweise (z.B ein adulter Vogel aus dem August, s. Foto 6-8). Foto 6 Foto 7 Foto 8 Der Vogel von Münster wurde von der Avifaunistischen Kommission der NWO anerkannt und liegt nun der DSK zur abschließenden Beurteilung vor. Für Informationen über die Nachweise, entsprechende Literaturhinweise und/oder das Bereitstellen von Fotos danke ich den folgenden Personen: Peter H. Barthel, Fabian Bindrich, Anders Blomdahl, Vegard Bunes, Volker Dierschke, Peter Fraser, Ricard Gutiérrez, Sophie Jaquier, Leander Khil, Peter Knaus, Paul Milne, Eckhard Möller, Uku Paal, Heiko Schmaljohann, Tadeusz Stawarczyk, Alfréd Trnka, Marnix Vandegehuchte und Johannes Wahl. Literatur 1. Alström P, Barthel P H, Schmidt C (1989) Die Bestimmung von Weißbürzel- Calidris fuscicollis und Bairdstrandläufer C. bairdii. Limicola 3: 49-61. 2. Dymond J N, Fraser P A, Gantlett S J M (1989) Rare Birds in Britain and Ireland. Calton: Poyser. 3. Moore C (1991) Transatlantic Vagrancy of Adult White-Rumped Sandpipers in Early Autumn. Dutch Birding 13: 139-145. 4. Dierschke V, Barth R, Helbig A J (1994) Erster Nachweis des Weißbürzel-Strandläufers Calidris fuscicollis in Mecklenburg-Vorpommern. Ber Vogelwarte Hiddensee 11: 85-87. 5. Cottridge D, Vinicombe K (1996) Rare Birds in Britain & Ireland, a Photographic Record (Collins Birding World). London: HarperCollins UK. 6. Dubois P J, Luszak C (2004) Les Limicoles Néarctiques en France: Synthèse des Données pour la Période 1965-2000. Ornithos 11: 214-229. 7. Danish Rare Bird Records. [http://www.netfugl.dk/dklist.php?id=species_info&species_id=315]. 8. Finish Rare Bird Records. [http://www.birdlife.fi/havainnot/rk/rk-data3.shtml]. 9. van der Vliet R E, van der Laan J, CDNA (2004) Rare Birds in the Netherlands in 2003. Dutch Birding 26: 359-384. 10. Deutsche Seltenheitenkommission (1994) Seltene Vogelarten in Deutschland 1991 und 1992. Limicola 8: 153-209. 11. Deutsche Seltenheitenkommission (1996) Seltene Vogelarten in Deutschland 1994. Limicola 10: 209-257. 12. Deutsche Seltenheitenkommission (2006) Seltene Vogelarten in Deutschland 2000. Limicola 20: 281-353. 13. Sudendey F (2002) Der Bairdstrandläufer Calidris bairdii, eine neue Art für Helgoland. Ornithologischer Jahresbericht Helgoland 12: 70-73. 14. Rare Bird Records from Belgium. [http://users.skynet.be/ch-web/parespece/calbai.htm]. 15. British Rare Bird Records. [http://www.bbrc.org.uk/currentrarespecies.htm]. Anschrift des Verfassers: Steinfurter Str. 55 48149 Münster |
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