VdM 11/2010
Klein und heimlich: Der Zwergschnäpper
– Ein (zu) seltener Gast in Nordrhein-Westfalen
von Christopher König
Auch wenn meine Heimat im nördlichsten Ostwestfalen sicher eine Reihe interessanter Themen geboten hätte, so zog es mich Mitte 2009 im Rahmen meiner Diplomarbeit im Fach Biogeographie ganz in den Süden Deutschlands, in den Bayerischen Wald. Ich untersuchte dort die Habitatnutzung des Zwergschnäppers (Ficedula parva), um mögliche Gründe für den Verlauf der westlichen Arealgrenze der Art herauszufinden. Das Verbreitungsgebiet des Zwergschnäppers erstreckt sich vom östlichen Uralvorland westwärts bis in die Ostalpen (Glutz v. Blotzheim et al. 1993). Die westliche Arealgrenze verläuft damit durch Mitteleuropa. Der Zwergschnäpper ist hier von Tiefebenen bis in Berglagen verbreitet. Auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands wird die Art als seltener Brutvogel mit 1900-3100 Brutpaaren (Stand 2005) geführt (Südbeck et al. 2007). Die Schwerpunkte der Verbreitung liegen hier in den neuen Bundesländern sowie in Bayern und Schleswig-Holstein. Weiter westlich kommt es nur sehr sporadisch zu kurzzeitigen Ansiedlungen. Den bisher westlichsten Vorstoß des Zwergschnäppers stellt eine Brut im Landkreis Osnabrück in Niedersachsen kurz hinter der nordrhein-westfälischen Grenze dar (Helbig, Stange & Conrads 1976).
Abb. 1: Männlicher Zwergschnäpper im Bayerischen Wald. Foto: Christoph Moning.
Auch bei uns in Nordrhein-Westfalen gilt die Art als nicht regelmäßig brütender Vermehrungsgast (Sudmann et al. 2008). Der erste gesicherte Nachweis der Art in NRW stammt aus dem Jahr 1917, als dem lippischen Ornithologen Gustav Wolff der bisher einzige nordrhein-westfälische Brutnachweis bei Bad Salzuflen gelang. Seit dieser Feststellung wurden in unserem Bundesland bis heute lediglich 31 Zwergschnäpper-Sichtungen bekannt, von denen vier nicht genau datiert sind. Bis auf eine sehr späte Beobachtung am 23.11.1959 verteilen sich sämtliche Nachweise auf den Zeitraum von Mitte Mai bis Ende September. Diese Verteilung ist wenig verwunderlich, da die Art erst im Mai in den deutschen Brutgebieten ankommt und sie bereits ab Mitte August wieder räumt (Glutz v. Blotzheim et al. 1993). Mit 14 von 27 genau datierten Nachweisen fallen die mit Abstand meisten Beobachtungen von Zwergschnäppern in NRW auf den Monat Juni (Abbildung 2).
Abb. 2: Jahreszeitliche Verteilung aller Beobachtungen von Zwergschnäppern in Nordrhein-Westfalen 1943-2010 (n = 27). Bei Nachweisen von länger verweilenden Individuen wurde jeweils nur das erste Beobachtungsdatum gewertet.
Im benachbarten Niedersachsen, das ebenfalls nicht zum geschlossenen Verbreitungsareal der Art gehört, gibt es wesentlich mehr Nachweise als in NRW. Allein bis zum Jahr 2000 wurden mehr als 400 Feststellungen sowie 9 Bruten bekannt (Zang et al. 2005). Da Vögel bekanntermaßen keinen Wert auf politische Grenzen legen, muss man davon ausgehen, dass die Zwergschnäpper in NRW zweifellos vielfach übersehen werden, insbesondere da die niedersächsischen Nachweise nicht auffällig gehäuft an der Küste oder gar auf den Inseln, sondern häufig sogar im nordrhein-westfälischen Grenzbereich erbracht wurden (Abbildung 3).
Abb. 3: Zwergschnäpper-Nachweise in Niedersachsen im Zeitraum 1951-2000 (aus Zang et al. 2005).
Da sich in Nordrhein-Westfalen mit den niedersächsischen Fundorten vergleichbare Habitate finden lassen und insbesondere Durchzügler auch in untypischen Lebensräumen entdeckt werden können, lässt sich die geringe Zahl der Nachweise in NRW nur schwer erklären. Auch bei den Recherchen für meine Diplomarbeit stellte ich fest, dass es zum Zwergschnäpper noch viele ungeklärte Fragen gibt. Insbesondere in Bezug auf die westliche Verbreitungsgrenze und die Lebensraumansprüche dieses kleinen Fliegenschnäppers bestehen daher zahlreiche interessante Forschungsansätze.
Abb. 4 und 5: Fotos von Zwergschnäppern in Nordrhein-Westfalen sind offenbar erst zweimal veröffentlicht worden: Im Juni 1917 konnte Gustav Wolff im Schlosspark von Schötmar bei Bad Salzuflen ein Foto von einem der Brutpartner machen (Wolff 1928) – mit sicherlich heute abenteuerlich erscheinender Kameratechnik. Von dem Bielefelder Tierfotografen Rolf Siebrasse stammt das Foto in der Arbeit von Conrads (1969) von einem einjährigen Zwergschnäpper-Männchen im NSG Donoper Teich (Kreis Lippe) am 1. Juni 1968.
Abb. 6 und 7: Jörg Hadasch konnte im Juni 1988 ein adultes Männchen im Schweichler Wald in Hiddenhausen (Kreis Herford) fotografieren (bisher nicht veröffentlicht) (Hadasch & Härtel 1990).
Abb. 8: So gut ist der heimliche Fliegenschnäpper nur sehr selten vor die Kamera zu bekommen (Bayerischer Wald). Foto: Christoph Moning.
Es liegt in der Hand der Beobachter, diesen interessanten, heimlichen Waldbewohner in Zukunft öfter in unserem Bundesland nachzuweisen. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen: Sie sind unter uns!
Danksagung:
Bedanken möchte ich mich bei Christoph Moning (früher NRW) und Jörg Hadasch, die die Fotos zur Verfügung gestellt haben.
Literatur:
Conrads, K. (1969): Der Zwergschnäpper im Teutoburger Wald. Anthus 6: 13-21.
Glutz von Blotzheim, U. & K. M. Bauer (1993): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd.13/I, Passeriformes: Muscicapidae – Paridae. Wiesbaden.
Hadasch, J. & H. Härtel (1990): Zur Habitatwahl und zum Verhalten eines Zwergschnäppers (Ficedula parva) 1988 bei Herford. Charadrius 26: 267-271.
Helbig A., C. Stange & K. Conrads (1976): Brut des Zwergschnäppers (Ficedula parva) im Grenzgebiet Westfalen-Niedersachsen bei Melle (Krs. Osnabrück). Alcedo 3: 14-21.
Sudmann, S., C. Grüneberg, A. Hegemann, F. Herhaus, J. Mölle, K. Nottmeyer-Linden, W. Schubert, W. v. Drewitz, M. Jöbges & J. Weiss (2008): Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens. Charadrius 44: 137-230.
Südbeck, P., H.-G. Bauer, M. Boschert, P. Boye & W. Knief (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung. Berichte zum Vogelschutz 44: 23-81.
Wolff, G. (1928): Vögel am Nest. Neudamm.
Zang, H., H. Heckenroth & P. Südbeck (2005): Die Vögel Niedersachsens, Drosseln, Grasmücken, Fliegenschnäpper. Naturschutz Landschaftspfl. Niedersachs. B, H. 2.9.
Anschrift des Verfassers:
Christopher König
Am Waldbach 4
32339 Espelkamp