VdM 07/2019
Heimliche Invasion der Großen Alexandersittiche im Rheinland: Wie kann ich sie von den Halsbandsittichen unterscheiden?
Von Michael Braun und Nicole Braun
Kurze Besiedlungsgeschichte des Großen Alexandersittichs im Rheinland und in Deutschland
Die Besiedlungsgeschichte der Sittich-Arten in Deutschland ist eng miteinander verknüpft, da die kleinere Art die Ansiedlung der größeren Art erst ermöglichte. Alle Papageienarten in Europa stammen von entflogenen oder ausgesetzten Käfigvögeln ab. Der Asiatische Halsbandsittich (Alexandrinus manillensis früher Psittacula krameri), auch Kleiner Alexandersittich genannt, vom Indischen Subkontinent brütet seit mittlerweile 50 Jahren (seit 1969) in Köln. Seit 1988 brütet der ebenfalls südasiatische Große Alexandersittich (Palaeornis eupatria syn. Psittacula eupatria) in den bereits etablierten Halsbandsittich-Kolonien Europas.
Die erste Brut des Großen Alexandersittichs in Europa wurde 1988 im Schlosspark von Wiesbaden-Biebrich registriert (Zingel 2000). In Köln wurden im Zuge einer Diplomarbeit von Ulrike Ernst in den Jahren 1993 und 1994 bereits acht Brutpaare in Platanen des Stammheimer Schlossparks entdeckt, 1994 erschien dann auch das erste Weibchen im Kölner Zoo (Ernst 1995). Die Großen Alexandersittiche hatten offenbar über mehrere Jahre ein Schattendasein in Köln geführt, denn die Population in Wiesbaden entwickelte sich zeitgleich fast auf ähnlichem Niveau. Weitere Brutpopulationen existieren zurzeit in Belgien, den Niederlanden und der Türkei (Braun et al. 2018).
Dieter Zingel und Detlev Franz haben die Entwicklung der Wiesbadener Papageienpopulation akribisch verfolgt und publiziert. Tobias Krause dokumentierte 2001 die erste Mischbrut Halsbandsittich x Großer Alexandersittich in Düsseldorf (Krause 2004). In Bonn wurden die ersten beiden Großen Alexandersittiche 1994 beobachtet, verschwanden aber danach wieder (Rheinwald & Kneitz 2002).
Nach der Diplomarbeit von Ulrike Ernst führte der Große Alexandersittich in Köln dann wieder ein Schattendasein bis zum 28. November 2009, als der erste Schlafplatz dieser Art durch Nicole und Michael Braun im Kölner Zoo gefunden wurde. Damals fanden sich 60 Große Alexandersittiche, ein Grünsittich (Psittacara holochlora) und 15 Hohltauben (Columba oenas) in einer Zeder zum Schlafen ein. Der Einflug verlief im Gegensatz zu den Halsbandsittichen sehr ruhig, die Vögel waren fast lautlos. Im Schlafbaum selbst waren keine Rufe mehr zu vernehmen. Halsbandsittiche schliefen nicht in dem Baum.
Am 28. Februar 2017 wurde dann von M. Braun ein weiterer Schlafplatz der Großen Alexandersittiche in Köln gefunden. Es waren große Pappeln am rechten Rheinufer im Rheinpark mit über 20 m Höhe. Dies ist ein Unterschied zu den meist kleineren Platanen oder kleineren Bäumen mit max. 10 m Höhe an der linken Rheinuferpromenade, die von den Halsbandsittichen als Schlafplatz bevorzugt werden. Am 6. Oktober 2017 wurden am linken Rheinufer auf Höhe des Kölner Hauptbahnhofs (Muscial Dome) über 500 Große Alexandersittiche gezählt (Braun et al. 2018).
Im Kölner Zoo wurden 2017 von N. & M. Braun >30 Brutpaare des Großen Alexandersittichs gezählt mit Schwerpunkten in den alten Platanen am Hippodrom und bei den Okapis. Halsbandsittiche brüteten lediglich noch in zwei Paaren dort. Im Zuge dieser Erkenntnisse wurde im Kölner Zoo unter Betreuung von B. Marcordes, T. Ziegler und M. Braun eine Masterarbeit durchgeführt (Bresser 2018). Zusätzlich wurden vom Arbeitskreis Sittiche des NABU Köln im Jahr 2018 weitere Kartierungen im Stadtgebiet durchgeführt. Insgesamt wurden 2018 mindestens 93 Brutpaare des Großen Alexandersittichs in Köln registriert, in Deutschland inklusive Wiesbaden und Mainz mindestens 168 Brutpaare (Braun et al. 2018).
Zu diesem Zeitpunkt ging die NWO von 10-15 Brutpaaren dieser Art im Rheinland aus (Grüneberg et al. 2013). Die tatsächliche Anzahl der Großen Alexandersittiche wurde offenbar deutlich unterschätzt. Seit etwa 2012 wird die Art regelmäßig in Bonn beobachtet, seit 2018 mit immer stetigeren Nachweisen (M. Braun, F. Carius, J. Hense, J. Hungar, E. Koch, T. Krause, K. Schidelko, D. Stiels u.a.). Im Jahr 2019 bestand in Bonn auch erstmals Brutverdacht (S. Abrahamczyk, M. Braun, R. Dröschmeister, O. Engler u.a.).
Auffällig ist, dass die Großen Alexandersittiche die kleineren Halsbandsittiche allmählich aus ihren ursprünglichen Kolonien verdrängen, während die einheimischen Hohltauben geduldet werden und offenbar sogar von den Brutkolonien der Großen Alexandersittiche profitieren (Braun et al. 2018). Bezogen auf die Gesamtpopulation in Köln ist der Große Alexandersittich aber immer noch deutlich seltener als der Asiatische Halsbandsittich. Die Population der Halsbandsittiche ist etwa fünfmal so groß wie die der größeren Verwandten.
Unterscheidungsmerkmale
Obwohl sich die Färbungsmuster von Großen Alexandersittich und Asiatischem Halsbandsittich ähneln, gibt es doch etliche Merkmale, die beiden Arten im Feld auseinanderzuhalten.
Stimme: Die Rufe liefern häufig die ersten Hinweise auf ein Vorkommen von Papageien. Der Große Alexandersittich ruft tief, melodiös und rollend „KrrrÜo, KrrrÜo“, der Halsbandsittich ruft im Gegensatz dazu hoch, schrill und eher kreischend „kiiak“.
Größe: Die Größe ist ein sicheres Bestimmungsmerkmal wenn beide Arten nebeneinander sitzen, denn die Großen Alexandersittiche sind mit etwa 260 g etwa doppelt so schwer wie die kleinen Verwandten mit etwa 140 g. Die Schwanzlänge ist beim Großen Alexandersittich ebenfalls deutlich länger als beim Halsbandsittich.
Abbildung 1: Auf diesem Foto ist der deutliche Größenunterschied zwischen zwei Großen Alexandersittichen (oben) und einem Asiatischen Halsbandsittich (unten) zu erkennen. Große Alexandersittiche haben außerdem rote Schulterflecken, dunkelgrüne Oberflügel, einen großen Kopf und sehr großen Schnabel und einen sehr langen Schwanz. Asiatische Halsbandsittiche haben hellgrüne Flügeloberseiten, einen kleinen Schnabel und einen mittellangen Schwanz. Foto: © Michael Braun
Schnabel: Der komplett rote Schnabel des Großen Alexandersittichs ist massiv, hoch und auch im Verhältnis deutlich größer als beim Asiatischen Halsbandsittich, der fast immer einen schwarzen Unterschnabel hat. Der große Schnabel verleiht dem größeren Verwandten eine kopflastige Silhouette, die auch im Flug auffällt.
Färbung: Das auffallendste und eindeutigste Unterscheidungsmerkmal ist der rotbraune Schulterfleck (kleine Armdecken) des Großen Alexandersittichs, der dem Halsbandsittich komplett fehlt. Außerdem ist das Halsband bei der größeren Art deutlich breiter, sowohl im schwarzen Bereich der Schnabelbasis als auch im rosafarbenen Nackenband. Die Flügeloberseiten sind beim Großen Alexandersittich dunkelgrün und heben sich kontrastreicher zum Körpergefieder ab als beim Halsbandsittich. Ein eher unauffälliges Merkmal ist der schwarze Zügelstreif zwischen Nasenloch und Auge, der nur beim männlichen Halsbandsittich vorkommt. In beiden Arten haben die Männchen auch eine bläuliche Nacken- und Brustfärbung. Den Weibchen beider Arten fehlen sowohl das Halsband als auch die erwähnte bläuliche Färbung.
Abbildung 2: Unterschiede zwischen Großem Alexandersittich und Asiatischem Halsbandsittich im Überblick. Fotos: © Michael Braun
Flug zum Schlafplatz: Auf dem allabendlichen Flug zum Schlafplatz fliegen die Asiatischen Halsbandsittiche flach über den Boden oder den Rhein. Dies dient als Vermeidungsverhalten gegenüber Prädatoren, insbesondere den in der Nähe brütenden Wanderfalken. Halsbandsittiche fliegen meist in größeren Schwärmen von 50-200 Vögeln. Die wehrhaften Großen Alexandersittiche sind weniger anfällig gegenüber Beutegreifern, sie fliegen meist in kleineren Gruppen bis 20 Vögeln deutlich über den Baumkronen und auch hoch über den Rhein oder die Hohenzollernbrücke. Die Flügelschläge der Großen Alexandersittiche sind vergleichsweise langsam und verlaufen flach, meist unterhalb der Horizontalen, während die Halsbandsittiche deutlich schneller und in einer größeren Amplitude flattern und zudem auch riskanter und wendiger fliegen. Kollisionen und Flügelbrüche treten beim Halsbandsittich in Köln regelmäßig auf, beim Großen Alexandersittich hingegen nicht (S. Mitlacher, pers. Mitt.).
Abbildung 3: Flugwege zum Schlafplatz am Kölner Rheinufer unterscheiden sich zwischen den hoch einfliegenden Großen Alexandersittichen und den tief fliegenden Halsbandsittichen. Foto: © Michael Braun
Synchrone „Schmetterlingsflüge“ zur Paarungszeit: Zur Paarungszeit fliegen die Paare des Großen Alexandersittichs im synchronen „Schmetterlingsflug“, die Partner fliegen parallel, die Flügel werden dabei flach und sehr schnell geschlagen und wendige Flugmanöver durchgeführt. Halsbandsittiche haben keine derartigen Synchronflüge, auch wenn sie häufig in Paaren oder kleinen Gruppen gemeinsam fliegen. Kopf und Hals sind beim Großen Alexandersittich deutlicher vom Rumpf abgesetzt, der Schwanz ist deutlich länger als beim Halsbandsittich.
Flügelspitze: Durch eine verschmälerte Spitze der Handschwinge P9 wirkt die Flügelspitze des Großen Alexandersittichs schmaler als beim Halsbandsittich.
Brutbäume: Beide Arten sind sekundäre Höhlenbrüter und nutzen bereits vorhandene Baumhöhlen, z.B. alte Spechthöhlen oder Ausfaulungen, die durch Pflegeschnitte entstanden sind. Der bedeutendste Brutbaum beider Arten in Deutschland ist die Ahornblättrige Platane (Platanus x hispanica) (Braun et al. 2018; Bresser 2018), ein robuster, sehr großer und häufiger Stadtbaum der wärmeren Regionen Deutschlands. Die Brutplätze der Großen Alexandersittiche liegen häufig in Parks und Friedhöfen der Städte, aber auch Pappeln in den Rheinauen werden zunehmend als Brutbäume genutzt. Während Halsbandsittiche in Buntspechthöhlen brüten können, benötigen Große Alexandersittiche deutlich größere Höhlen, wie sie beispielsweise durch die jahrelange Nagetätigkeit der kleineren Verwandten entstehen. Deshalb übernehmen die Großen Alexandersittiche regelmäßig die Bruthöhlen der kleineren Halsbandsittiche und verdrängen diese hierdurch. Während beim Halsbandsittich die Höhlen fast nur von den Weibchen zur Brutzeit genutzt werden, dienen sie den Großen Alexandersittichen ganzjährig auch als Schafplatz beider Geschlechter. Um die Höhleneingänge bildet sich häufig ein Wulst oder eine kleine Röhre aus Borke, da die Platane versucht die Höhlen zu verschließen und die Sittiche immer wieder versuchen das Loch durch Nagen offen zu halten.
Fassadenbruten: Asiatische Halsbandsittiche brüten in ihrer Heimat, aber zunehmend auch in Europa in Hauswänden, in Deutschland am liebsten in alten Buntspechtlöchern von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) (Braun 2004; Braun 2007). Dies ist auch in vielen Stadtteilen von Köln, aber auch in Bonn und Düsseldorf bereits nachgewiesen. Dadurch entstehen zusätzliche Schäden an den Fassaden. Bislang gibt es zwar noch keine erfolgreichen Bruten von Großen Alexandersittichen in WDVS, dies ist in Zukunft mit wachsender Populationsgröße und dem Übernehmen alter Halsbandsittich-Höhlen aber zu erwarten. Beobachtungen von Großen Alexandersittichen an Höhlen von Fassaden nehmen deutlich zu. Der fachgerechte Einsatz von Nistkästen kann hier dauerhaft Abhilfe schaffen (Braun & Wink 2013), eine kompetente Beratung ist aber Voraussetzung für den Erfolg. Die Autoren und der NABU Stadtverband Köln bieten hierzu kompetente Lösungsmöglichkeiten an.
Nistkästen: Im Stammheimer Schlosspark werden auch eigens hierfür ausgebrachte Nistkästen von Großen Alexandersittichen akzeptiert. Von hier aus erfolgen live Projektionen aus den Nisthöhlen an die Wände der U-Bahn-Haltestelle „Breslauer Platz“ in Köln. Die Installation erfolgte im Jahr 2011 im Zuge des Kunstprojektes „Neobiota“ des Künstlers Tue Greenfort über die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) in Kooperation mit M. Braun. Ein mumifizierter Großer Alexandersittich aus dem Stammheimer Schlosspark findet sich ebenfalls an der U-Bahn-Haltestelle „Breslauer Platz“ unter einer runden Glasbodenplatte.
Futterstellen: Während Asiatische Halsbandsittiche in ihrer Heimat Indien, aber auch in London oder Paris längst von den Menschen aus der Hand gefüttert werden, scheint dieses zutrauliche Verhalten bei den Kölner Sittichen (noch) nicht vorzukommen. Allerdings kommen sie häufig an (Winter-) Futterstellen auf Balkons. Auch Große Alexandersittiche kommen häufig auf Balkons und scheinen gegenüber den kleineren Verwandten dominant zu sein.
Literatur
Braun M. (2004): Halsbandsittich (Psittacula krameri Scopoli, 1769). GEO-Tag der Artenvielfalt. Heidelberg, Zoologisches Institut.
Braun M. (2007): Welchen Einfluss hat die Gebäudedämmung im Rahmen des EU-Klimaschutzes auf die Brutbiologie tropischer Halsbandsittiche (Psittacula krameri) im gemäßigten Mitteleuropa? Ornithologische Jahreshefte Baden-Württemberg 23 (Heft 2): 39-56.
Braun M. & M. Wink (2013): Nestling development of ring-necked parakeets (Psittacula krameri) in a nest box population. The Open Ornithology Journal 6: 9-24.
Braun M. P., D. Franz, N. Braun, E. Koch, C. Walter, A. Bresser, T. Ziegler & B. Marcordes (2018): Aktuelle Bestandserfassung des Großen Alexandersittichs (Palaeornis eupatria) in Deutschland und Europa. Vogelwarte 56(2): 383-385.
Bresser A. (2018): Bestandserfassung, Revierkartierung und angepasste Autökologie des Großen Alexandersittichs (Psittacula eupatria), eines Neozoen, in der Stadt Köln. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln. Masterarbeit: 118.
Ernst U. (1995): Afro-asiatische Sittiche in einer mitteleuropäischen Großstadt: Einnischung und Auswirkung auf die Vogelfauna. Biology. Cologne, University. Diploma thesis: 161.
Grüneberg C., S. R. Sudmann, J. Weiss ,M. Jöbges, H. König, V. Laske, M. Schmitz & A. Skibbe (2013): Die Brutvögel Nordrhein-Westfalens. Münster, LWL-Museum für Naturkunde.
Krause T. (2004): F1- und F2-Hybriden zwischen Alexandersittich Psittacula eupatria und Halsbandsittich P. krameri im Volksgarten in Düsseldorf. Charadrius 40: 7-12.
Rheinwald G & S. Kneitz (2002). Die Vögel zwischen Sieg, Ahr und Erft. St. Katharinen.
Zingel D. (2000): 25 Jahre frei lebende Papageien in Wiesbaden. Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde 121: 129-141.
Anschrift der Verfasser:
Dr. Michael Braun, Nicole Braun
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