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VDM 10/2009

Die Rothalsgans von Bislich

Von Manfred Lindemann

In den Wintermonaten fahre ich regelmäßig an den Niederrhein, um dort die großen Trupps der nordischen Gänse, zumeist aus Blässgänsen bestehend, zu beobachten. Auch versuche ich, wenn möglich, mit dem Spektiv Ringe abzulesen – was nicht immer leicht ist, da man oft lange warten muss, bis der gesamte Code sichtbar ist. Bisher war es mir aber noch nie gelungen, eine Rothalsgans in diesen Trupps zu auszumachen. Auf früheren gemeinsamen Exkursionen in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren mit Dr. Helmut Demuth (Velbert), Siegfried Balfanz und Helmut Schulte (Essen) habe ich immer gespannt zugehört, wenn sie von ihren gemeinsamen Touren im Winter an den Niederrhein und auch in die Niederlande berichteten. Und wie sie von ihrem Glück erzählten, hier und da mal eine Rothalsgans (Branta ruficollis) unter den vielen Gänsen ausfindig gemacht zu haben.

Viele meiner Gänse-Exkursionen blieben bisher erfolglos, ob ins Rheiderland an der Nordsee, an den Dümmer, an den Niederrhein oder in die Dingdener Heide – immer wieder kam ich zu spät, der Vogel war wie vom Boden verschluckt. Ich wollte diese bunteste aller Meergänse aber mal in der freien Natur sehen!

Im Februar 2008 kam dann die Meldung von einer Rothalsgans am Niederrhein, genauer gesagt von der Bislicher Insel. Regelmäßiger Gäste im Winter sind dort neben den vielen Gänsen unter anderem auch Seeadler und Silberreiher. Ein sehr interessantes Gebiet also, das man nicht nur im Winter aufsuchen sollte!

Am 12. Februar 2008 konnte ich mich frühzeitig von der Arbeitsstelle loseisen und an den Niederrhein fahren. Das Wetter schien viel versprechend, denn die Sonne zeigte sich von ihrer besten Seite, und es waren kaum Wolken am blauen Himmel auszumachen.

Fernglas sowie warme Kleidung sind immer zu dieser Jahreszeit immer in meinem Auto, man weiß ja nie, was alles so passieren kann. Das Spektiv hatte ich bereits morgens vorsichtshalber auch eingeladen.

Gegen halb fünf kam ich endlich auf der Bislicher Insel an. Zuerst dachte ich, dass die Chance nicht groß sein würde, denn die Bauern düngten bereits einige Wiesen. Doch konnte ich noch zwei größere Gänse-Trupps auf den angrenzenden Wiesen ausmachen, und glücklicherweise hielten sie sich auch in der Nähe der Straße auf. Im ersten Trupp hatte ich mir so gut wie jede Gans angeschaut, doch die Rothalsgans war dort einfach nicht dabei. Nur Bläss-, Grau- und vereinzelt Weißwangengänse waren zu sehen. Dann halt eben auf zum zweiten Trupp!

Hier hielten sich neben den Blässgänsen auch viele Weißwangengänse auf. Die Wiese, auf der die Vögel nach Nahrung suchten, war welliger, so dass nicht jede Gans sofort zu sehen war.
Trotz der vielen Sonnenstrahlen war es bereits sehr kalt, und ich wollte alles schon wieder zusammenpacken. Die Handschuhe wärmten nicht mehr so richtig, die Füße waren kalt. Also suchte ich noch ein letztes Mal alles mit meinem Fernglas ab. Und dann, auf einmal – nur noch ein kleiner Teil der Sonne war am Horizont gegen halb sechs zu sehen – kam ein Vogel aus einem Wellental hoch auf den Kamm: Da stand sie nun, meine erste Rothalsgans, mit ihrem schwarzen Gefieder und den deutlich erkennbaren weißen Konturlinien sowie der rostroten Brust – ich war sprachlos und glücklich! Durch mein Spektiv konnte ich den Vogel noch für wenige Minuten betrachten, dann war die Sonne verschwunden, und ich fuhr voll zufrieden nach Hause.

Nach langjähriger Suche hatte ich es nun endlich geschafft, eine Rothalsgans zu beobachten. Ich glaube, es waren mindestens 8 Jahre, in denen ich regelmäßig im Winter an den Niederrhein gefahren bin, immer auch auf der Suche nach diesem Vogel. Nun hat die Suche ein Ende – doch es soll nicht meine letzte Rothalsgans gewesen sein. Ich freue mich schon auf die Nächste!

Vielen Dank an alle, die mir über die Jahre immer wieder Hinweise und Tipps zur Rothalsgans gegeben haben!

Rothalsgans-Beobachtungen in NRW im Winter 2007/2008 auf www.vogelmeldung.de

1 26.12.2007 Xantener Südsee WES – Xanten
1 27.12.2007 Rees-Rosau KLE – Rees
1 03.01.2008 Rees bei Haffen KLE – Rees
1 14.01.2008 Dingdener Heide WES – Hamminkeln
1 10.02.2008 Bislicher Insel WES – Xanten
1 12.02.2008 Bislicher Insel WES – Xanten
1 16.02.2008 Bislicher Insel Flutmulde WES – Xanten
1 17.02.2008 Bislicher Insel Flutmulde WES – Xanten
1 19.02.2008 Reeser Eyland KLE – Rees

dsc01898 Rothalsgans, Weserwiesen Petershagen-Hävern (Kreis Minden-Lübbecke), 15.3.2008, Foto: Eckhard Möller

dsc01912 Rothalsgans im Schneetreiben, Häverner Marsch Petershagen-Hävern (Kreis Minden-Lübbecke), 22.3.2008, Foto: Eckhard Möller

Rothalsgänse sind in Nordrhein-Westfalen seit dem 1.1.2001 nicht mehr meldepflichtig, da alljährlich einzelne einfliegen. Im Archiv der Avifaunistischen Kommission sind zum Beispiel mehr als 50 Datensätze aus den Jahren 1990 bis 1999 gespeichert.

Literatur:

Mildenberger, H. (1982): Die Vögel des Rheinlandes Band 1. Düsseldorf
Jonsson, L. (1978): Die Vögel der Meeresküsten. Stuttgart
Svensson, L. et al. (1999): Der neue Kosmos Vogelführer. Stuttgart
www.vogelmeldung.de

Anschrift des Verfassers:
Manfred Lindemann
Striegauer Weg 13
45891 Gelsenkirchen