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VdM 06/2014

Der Schwalbenweih von Wegberg-Arsbeck

Von Eckhard Möller

Es war während der alljährlichen Hühnerjagden, als im Herbst 1922 („zwischen 1922 und 1924“ Glutz et al. 1989) plötzlich ein seltsam aussehender unbekannter Raubvogel mit langen Schwanzspießen in der Feldflur von Wegberg-Arsbeck (Kreis Heinsberg) auftauchte. Der Kriminalkommissar Joeres aus Rheydt zögerte sicher nicht lange, als der Vogel nahe genug herankam, und schoss ihn vom Himmel (Knorr 1967).

Er ließ ihn zum Glück ausstopfen, und der Balg kam dann später (wohl erst 1951) in die Rheinland-Abteilung des Museums Koenig in Bonn, wo er sich auch heute noch befindet (Abb. 1-5). Dort wurde der Vogel als nordamerikanische Unterart E. f. forficatus bestimmt. Das Gefieder zeigte keinerlei Spuren einer Gefangenschaftshaltung (Mildenberger 1982).

Abb. 1-5: Der Schwalbenweih von Arsbeck (Museum Koenig Bonn Mai 2014) Fotos: Kathrin Schidelko & Darius Stiels

Heinz Mildenberger (1982) stufte den Arsbecker Schwalbenweih in seiner rheinischen Avifauna als „Ausnahmeerscheinung“ („Häufigkeitsstufe A“) ein. Er wurde danach aber nicht in die Liste der Vögel Deutschlands (Barthel & Helbig 2005) als Wildvogel in die Kategorie B übernommen.

Auch der um 1900 bei Seerhausen in Sachsen im Bezirk Dresden geschossene Schwalbenweih ist dort nicht als Wildvogel akzeptiert. Der Balg, der im Gefieder keinerlei Spuren einer Gefangenschaftshaltung aufwies, kam später in die städtische Sammlung Chemnitz (Glutz et al. 1989).

Schwalbenweihe brüten in zwei Unterarten in Küstennähe der südöstlichen USA über Mittelamerika bis ins östliche Bolivien, bis Paraguay und Nordost-Argentinien (del Hoyo et al. 1994). Zumindest im Norden ihres Verbreitungsgebietes ziehen sie. In Florida treffen die Schwalbenweihe im März ein, in Costa Rica bereits im Januar; Ende Juli und im August sind sie bereits abgezogen. US-Brutvögel sind im Winterquartier in Brasilien geschossen worden (del Hoyo et al. 1994).

In der Westlichen Paläarktis gibt es offenbar nur zwei in Kategorie A anerkannte Nachweise: Vom 24. August bis zum 7. September 2008 wurde auf der Azoreninsel Sao Miguel ein Schwalbenweih beobachtet (und fotografiert) (Jara et al. 2009-2010, Haas 2012).

Schon am 19. März 1993 konnten Müller & Lippert (1998) an der Costa Calma der kanarischen Insel Fuerteventura einen Schwalbenweih entdecken und perfekt fotografieren, der bis zum 23. März dort gesehen wurde. Eine Woche vorher tobte an der Ostküste der USA, vor allem im Süden,  ein verheerender Wirbelsturm, dessen Ausläufer erheblich abgeschwächt auch Europa erreichten.

Es war die logische Folge, dass die spanische Seltenheitenkommission den Schwalbenweih damals als Wildvogel anerkannte. Er gilt als erster Nachweis für Spanien und die gesamte Paläarktis (Müller & Lippert 1998, SEO 2012).

Ob der Arsbecker Schwalbenweih damals auf eigenen Flügeln über den Atlantik gekommen ist, auf einem Schiff „mitreiste“ oder gar aus Gefangenschaft freigelassen oder entflogen ist (wofür es keinerlei Anzeichen gibt), wird solange eine Glaubensfrage bleiben, bis möglicherweise moderne wissenschaftliche Forschungsmethoden wie eine Isotopenanalyse Klarheit über seine Herkunft schaffen können.

Ein faszinierender Vogel in der Rheinland-Sammlung im Museum Koenig ist er allemal…

Danksagung: Mein Dank geht an Kathrin Schidelko und Darius Stiels für die perfekten Fotos des Vogels im Museum Alexander Koenig in Bonn.

Literatur:

Barthel, P. H. & A. J. Helbig (2005): Artenliste der Vögel Deutschlands. Limicola 19: 89-111.

Glutz von Blotzheim, U. N., K. M. Bauer & E. Bezzel (1989): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4. Wiesbaden.

Haas, M. (2012): Extremely rare birds in the Western Palearctic. Barcelona.

del Hoyo, J. et al. (1994): Handbook of the Birds of the World Vol. 2. Barcelona.

Jara, J. et al. (2009-2010): Aves de ocorrência rara ou accidental em Portugal – Relatório do Comité Português de Raridades referente.

http://www.spea.pt/fotos/editor2/spea_anuario_ornitologico_7_relatorio_cpr_p3_71.pdf

(aufgerufen am 24.5.2014)

Knorr, E. (1967): Die Vögel des Kreises Erkelenz. Neuss.

Mildenberger, H. (1982): Die Vögel des Rheinlandes, Band 1. Düsseldorf.

Müller, H. E. J. & K. Lippert (1998): Schwalbenweih Elanoides forficatus auf Fuerteventura – eine neue Art für die Paläarktis. Limicola 12: 80-84.

SEO (2012): Lista de las aves de Espana. http://www.rarebirdspain.net/esplis12.pdf

Anschrift des Verfassers:

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

32049 Herford