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VdM 08/2019

Die Wilsonwassertreter von Nordrhein-Westfalen

Von Eckhard Möller

Wohl fast alle der rund 50 Birder, die am 14. Juli 2019 im Dithmarscher Speicherkoog an der Westküste von Schleswig-Holstein lange vergeblich nach dem amerikanischen Bindenstrandläufer suchten, der am Vortag dort entdeckt worden war, fuhren im Laufe des Tages eine kurze Strecke, um als klitzekleinen Ersatz ein Odinshühnchen zu beobachten, das an einem größeren Gewässer nicht leicht am Pflanzensaum zu sehen war. Dabei kamen die Gespräche fast logisch auch auf den Traum von einem ebenfalls amerikanischen nahe verwandten Wilsonwassertreter (Phalaropus tricolor).

Rund fünf Jahre ist es schon her, dass Birder in Deutschland die Chance hatten, einen zu sehen: Vom 16. bis 24. Mai 2014 hielt sich ein adultes Weibchen in der Wedeler Marsch im Kreis Pinneberg auf (Abb. 1) (DAK 2015).

Abb. 1 Wilsonwassertreter Wedeler Marsch (Kreis Pinneberg) 19. Mai 2014
Foto: Rolf Schneider

Abb. 2 Wilsonwassertreter Rickelsbüller Koog (Kreis Nordfriesland) 18. August 2007
Foto: Christoph Moning

Seit 1977 sind in Deutschland bisher nur 15 entdeckt worden (Abb. 2) (DAK 2015).Wilsonwassertreter brüten in Nordamerika im westlichen Binnenland der Vereinigten Staaten und Kanadas von British Columbia und Manitoba südlich bis Kalifornien und Colorado und nach Osten bis an den Rand der Great Lakes. Sie überwintern hauptsächlich in Südamerika (Paulson 2005).

Diese Langstreckenzieher sind diesseits des Atlantiks nur selten zu beobachten. In Großbritannien sind es im Durchschnitt nur 3-4 pro Jahr (Holt et al. 2018). In den uns benachbarten Niederlanden wurden seit dem ersten Wilsonwassertreter am 9. Mai 1966 insgesamt 24 weitere nachgewiesen, der bisher letzte vom 27. September bis 3. Oktober 2014 (www.dutchavifauna.nl), alle in küstennahen Bereichen.

In Nordrhein-Westfalen waren es bisher nur drei:

Der erste Wilsonwassertreter (im Schlichtkleid) hielt sich vom 6.-14. September 1974 in den Rieselfeldern Münster auf (OAG Münster 1974, Gries et al. 1979). Er wurde gesehen von Irmgard Blindow, P. Bornmann, Walter Feldt, R.-J. Hamm, Michael Harengerd, Andreas Heithoff, M. Hofmann, Dietrich Horstmann, Hermann Hötker, Norbert Jorek, Thomas Kepp, K. Möbus, Fritz Moysich, W. Rieckmann, G. Scholz, W. Scholz, Michael Speckmann, Christian Stange, Wilfried Stichmann, Christoph Sudfeldt, Heino Thier, Heribert Thier, Thomas Volpers, Thomas Willers u.a. – eine bemerkenswert große Zahl von Beobachtern zu einer Zeit, als „Birden“ oder gar „Twitchen“ in den Rieselfelder gar nicht angesagt war (Mann 2018).

Nur wenige Monate später wurde im selben Gebiet ein Weibchen im Prachtkleid entdeckt, das vom 21.-24. Mai 1975 blieb (OAG Münster 1975, Gries et al. 1979). Es wurde gesehen von Irmgard Blindow, Michael Harengerd, M. Hofmann, Norbert Jorek, Thomas Kepp, Reinhard Lätzel, Karl-Heinz Loske, Fritz Moysich, Heribert Thier, Thomas Willers u.a.

Leider ist es uns bis heute trotz zahlreicher Bemühungen nicht gelungen, Original-Fotos der Münsteraner Wilsonwassertreter aufzutreiben. Eigentlich müssten noch alte Dias existieren; für Hinweise sind wir sehr dankbar. Deshalb mussten wir uns mit den in den Heften der damaligen westfälischen Zeitschrift Alcedo abgedruckten Schwarz-Weiß-Fotos begnügen (Abb. 3-6).

Abb. 3-5 Wilsonwassertreter Rieselfelder Münster September 1974
Fotos: Norbert Jorek (aus Alcedo 1 (1974): 68-69)

Abb. 6 Wilsonwassertreter Rieselfelder Münster Mai 1975
Foto: Norbert Jorek (aus Alcedo 2 (1975): 98)

Am 22. September 1982 konnten B. J. Hancock und D. J. Anderson, beide offenbar Angehörige der britischen Streitkräfte aus Rheindahlen bzw. Wildenrath, in der Kläranlage Escher Bürge im Hambacher Forst (Kreis Düren) einen Wilsonwassertreter beobachten und so gut dokumentieren, dass er vom damaligen Seltenheiten-Ausschuss der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen (GRO) einstimmig anerkannt wurde (Przygodda 1985, AviKom 2017). Leider sind die Original-Unterlagen bis heute verschollen.

37 Jahre seit 1982 sind eine unglaubliche Zeit. Daher ist es logisch, dass eine erneute Meldung eines Wilsonwassertreters in Nordrhein-Westfalen mächtig Aufregung hervorrufen würde – sei es an der Bislicher Insel bei Wesel, in den Rieselfeldern in Münster oder der Windheimer Marsch bei Petershagen. Hoffentlich müssen wir nicht allzu lange darauf warten…

Literatur
Avifaunistische Kommission der NWO (2017): Seltene Vögel in Nordrhein-Westfalen. LWL-Museum für Naturkunde, Münster.
Deutsche Avifaunistische Kommission (2015): Seltene Vogelarten in Deutschland 2014. Seltene Vögel in Deutschland 2014: 2-36.
Gries, B., H. Hötker, G. Knoblauch, J. Peitzmeier, H.-O. Rehage & C. Sudfeldt (1979): Anhang zu Avifauna von Westfalen. Abhandlungen aus dem Landesmuseum für Naturkunde zu Münster Westfalen 41, Heft 3/4: 479-576.
Holt, C. & the Rarities Committee (2018): Report on rare birds in Great Britain in 2017. British Birds 111: 557-627.
Mann, P. (2018): Der Bindenstrandläufer von Münster – Vogel des Monats Mai 2018. www.nwo-avi.com
OAG Münster (1974): Wilson-Wassertreter (Phalaropus tricolor) in den Rieselfeldern Münster. Alcedo 1: 68-70.
OAG Münster (1975): Frühjahrsnachweis des Wilson-Wassertreters (Phalaropus tricolor) in den Rieselfeldern Münster. Alcedo 2: 97-98.
Paulson, D. (2005): Shorebirds of North America – The Photographic Guide. Princeton.
Przygodda, W. (1985): Nachweis seltener Vogelarten aus dem Rheinland III. Charadrius 21: 177-181.

Anschrift des Verfassers:
Eckhard Möller
Stiftskamp 57
32049 Herford