VdM 06/2017
Die Brandseeschwalben von Nordrhein-Westfalen
Von Eckhard Möller
Es war am 27. Juli 1994, als Armin Deutsch gegen Abend in den Rieselfeldern in Münster unterwegs war. Plötzlich hörte er eine Seeschwalbe deutlich und durchdringend zweisilbig rufen, es klang wie „kirrr-eck“. Der Sound erinnerte etwas an Rebhuhn-Rufe. Zuerst war der Vogel nicht zu sehen, weil Brennnesseln davor waren. Kurze Zeit später gelang der Sichtkontakt: Die Seeschwalbe wirkte groß und völlig weiß und kurzschwänzig. Die einzige andere Farbe an ihr war eine flache schwarze Kopfplatte. Wegen der Distanz war am Schnabel nichts an Details zu erkennen. Ihre Größe war etwa ähnlich einer Lachmöwe. Der Flug war gleichmäßig rudernd und nicht so schwebend/hüpfend, wie ihn die Fluss- und Küstenseeschwalben machen. Sie flog dann in einem großen Bogen Richtung Ost ab.
Unabhängig davon hatte zur selben Zeit von einem anderen Standort aus Kristian Mantel denselben Vogel gehört, aber nicht zu Gesicht bekommen. Es war die zweite Brandseeschwalbe (Sterna sandvicensis) für Münster im 20. Jahrhundert.
Aus Nordrhein-Westfalen liegen die folgenden Nachweise vor:
19. Jahrhundert zweimal auf der Ems im Münsterlande erlegt, zuletzt 1860 (Rade & Landois 1886, Peitzmeier 1969).
19. Jahrhundert 2 adulte (eine am Bohlweg in Münster, eine auf der Loddenheide) tot gefunden, an Präparator Koch (Wemer 1906), sehr wahrscheinlich in verschiedenen Jahren.
1891 Münsterland geschossen, Balg Landesmuseum Münster (le Roi 1906).
1893 Ohligser Teiche Solingen, geschossen (Becher, Balg von le Roi gesehen) (le Roi 1906).
29.4.1908 Krickenbecker Seen Nettetal (Kreis Viersen), adult, geschossen (Balg Sammlung Graf von Schaesberg) (le Roi & Geyr von Schweppenburg 1912).
7.7.1933 Aasee Münster (Kriegsmann) (Falter et al. 1935, Peitzmeier 1969: dort falsches Datum 17.7.1933!)
5.6.1957 Alme bei Paderborn, adult, frischtot gefunden (Weimann 1965, Peitzmeier 1969).
22.6.1965 Siegniederung (Rhein-Sieg-Kreis) (Hofer) (Rheinwald, Wink & Joachim 1987).
1.10.1978 Häverner Marsch Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke), 2 Ind.: 1 adult, 1 K1 (A. Rohlfing).
10.5.1979 Großer Weserbogen Porta Westfalica-Vennebeck (Kreis Minden-Lübbecke), 3 adulte (Andreas Helbig).
12./13.5.1983 Elbsee/Unterbacher See Düsseldorf (Klaus Böhm, Martin Woike) (Woike & Böhm 1984).
25.5.1987 Häverner Marsch Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke), adult (Gert Ziegler).
30.8.1989 Zuckerteiche Lage (Kreis Lippe), adult, Totfund „einige Wochen alt“ (Jörg Hadasch, Christopher Schmidt).
29.7.1990 Halterner Stausee (Kreis Recklinghausen), 3 adulte (Andreas Buchheim, Alfons Pennekamp).
7.9.1991 Weser bei Porta Westfalica-Vennebeck (Kreis Minden-Lübbecke), 2 Ind. (Jörg Hadasch, S. Wuttke).
10.7.1994 Sorpesee (Hochsauerlandkreis), 3 adulte (Christian Pohl).
27.7.1994 Rieselfelder Münster (Armin Deutsch, Kristian Mantel).
12.6.1999 Rieselfelder Münster, 2 Ind. (Jan Ole Kriegs).
3.5.2002 Baggersee Häverner Marsch Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke) (Gert Ziegler).
10.5.2003 NSG Krickenbecker Seen (Kreis Viersen), 2 adulte (Klaus Hubatsch, Markus Hubatsch, Heino Thier, Georg Sennert, Benjamin Steffen).
26.4.2009 Rheinufer Düsseldorf-Lausward, 2 adulte, Zeichnung (Rolf Awater).
11.8.2009 Rees-Grietherort (Kreis Kleve), adult PK (Jürgen Gerhardt, Angelika Gerhardt).
15.7.2011 Rheinaue Monheim (Kreis Mettmann), adult, Foto Klaus Böhm (AviKom).
11.4.2013 Meinbrexen (Landkreis Holzminden)/Beverungen (Kreis Höxter), 3 Ind., Fotos (Volker Konrad, Hajo Kobialka).
12.6.2014 Rieselfelder Münster, adult (Holger Lauruschkus, Gerben van den Berg).
15.4.2016 Rheinaue Monheim (Kreis Mettmann), 3 Ind., Fotos Klaus Böhm (AviKom).
Brandseeschwalbe mit Beute, Insel Neuwerk Mai 2013
Foto: Eckhard Lietzow
Aus dem 19. Jahrhundert liegen nur vier Angaben mit sechs Individuen vor. Ab 1908 bis heute waren es dann weitere 22 Nachweise mit 37 Vögeln. Ab Ende der 1970er Jahre offenkundige Zunahme der Beobachtungen, aber immer noch mit Lücken von bis zu sechs Jahren. Brandseeschwalben, die meist an von Vogelguckern in der Regel gut kontrollierten Gewässern auftreten, sind also in Nordrhein-Westfalen mit nur einem Nachweis pro Beobachtungsjahr sehr selten.
Im benachbarten ebenfalls küstenlosen Rheinland-Pfalz sind bisher 23 Nachweise mit mindestens 50 Individuen erfolgt (Folz in Dietzen et al. 2016). Das früheste Datum war der 19. April (2007), das späteste der 25. September (1991).
Die jahreszeitlich früheste Beobachtung in Nordrhein-Westfalen gelang am 11. April (2013), die späteste am 1. Oktober (1978).
Literatur:
Dietzen, C. et al. (2016): Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz. Band 3: Greifvögel bis Spechtvögel. Landau.
Falter, A., F. Goethe & F. Kriegsmann (1935): Vogelbeobachtungen in Westfalen (I.). Natur und Heimat 2: 114-116.
Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Münster.
Rade, E. & H. Landois (1886): Die Vogelwelt Westfalens. Münster.
Rheinwald, G., M. Wink & H.E. Joachim (1987): Die Vögel im Großraum Bonn. Bd. 2: Nichtsingvögel. Greven.
le Roi, O. (1906): Die Vogelfauna der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 63: 1-325.
le Roi, O. & H. Geyr von Schweppenburg (1912): Beiträge zur Ornis der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 69: 1-150.
Weimann, R. (1965): Die Vögel des Kreises Paderborn. Paderborn.
Wemer, P. (1906): Beiträge zur westfälischen Vogelfauna. Jahresberichte der Zoologischen Sektion des Westfälischen Provinzial-Vereins für Wissenschaft und Kunst 34: 58-89.
Woike, M. & K. Böhm (1984): Brandseeschwalbe (Sterna sandvicensis) bei Düsseldorf. Charadrius 20: 58-59.
Anschrift des Verfassers:
Eckhard Möller
Stiftskamp 57
32049 Herford