VdM 07/2013
Die Erddrossel von Düren
Von Klaus Hubatsch
Die Erddrossel (Zoothera aurea) ist ein merkwürdiger Vogel. Beobachter, die sie in ihrem Brutgebiet in Sibirien beobachten wollten (P. Barthel et al. mdl.), berichteten, dass sie im Frühjahr und Frühsommer den Vogel in den Wäldern der Taiga ständig singen hörten, aber nie ein Tier zu Gesicht bekamen. Dies liegt an ihrem eigenartigen Verhalten.
Die Erddrossel ist scheu und heimlich. Sie hält sich am liebsten auf dem Erdboden auf (Name!). Ihre Fluchtdistanz ist gering (unter 20 m). Wenn sie einen Beobachter bemerkt, läuft oder fliegt sie einige Meter über die Erde und verharrt dann regungslos auf dem Boden. Sie singt aber am liebsten in den Kronen der Bäume (meist in Laub- oder Nadel-/Laubmischwäldern, selten in der reinen Nadelwaldtaiga), wo sie schwer zu lokalisieren ist, da sie bei dem Gesang gern den Kopf wendet.
Das heimliche Verhalten ändert die Art auch auf dem Durchzug nicht. Ich erinnere mich daran, wie vor 10 Jahren einmal eine Erddrossel im Nordost-Gelände Helgolands aufgescheucht wurde und der Vogel dann in den Schrebergärten des Oberlandes landete. Unser stundenlanges Nachsuchen blieb aber ohne Erfolg. Zahlreiche Nachweise aus Europa beruhen daher auch auf Fänglingen (in den Niederlanden öfters auch in Entenkojen) und Totfunden.
Das Brutgebiet der Erddrossel (Z. aurea) erstreckt sich vom mittleren Ural (erreicht hier Europa) bis zur Mandschurei und koreanischen Halbinsel, bis in die nördliche Mongolei und Japan. Die Überwinterungsgebiete liegen in Süd-China und Südostasien (Slack 2009). Regelmäßig erscheinen aber einzelne Vögel in Europa (insgesamt etwa 200 Nachweise) bis hin nach Island. Die meisten Nachweise entfallen dabei auf den Herbst (September/Oktober), es gibt aber auch vereinzelte Winternachweise.
Auch im April/Mai wurden Erddrosseln gelegentlich festgestellt, wobei davon auszugehen ist, dass diese Nachweise eher für Heimzug und eine Überwinterung im subatlantischen Europa sprechen als für Zugprolongation aus einem fernöstlichen Winterquartier.
In Deutschland liegen etwa 45 Nachweise vor, davon allein 29 von Helgoland (davon entfallen 19 auf das 19. Jahrhundert, als die Art auch im übrigen Europa häufiger war). Kurios war eine Beobachtung vom 13.4.1914, wo ein Vogel in einem Hühnerhof (!) auf Helgoland von einer Glucke so schwer verletzt wurde, dass er von einem Kind ergriffen werden konnte (Dierschke et al. 2011).
Im benachbarten Niedersachsen konnte Zang (in Zang et al. 2005) fünf Nachweise von den ostfriesischen Inseln Langeoog und Wangerooge sowie von Scharhörn und Neuwerk (Hamburg) auflisten, davon nur eine aus dem Frühjahr (15. April 1968 Neuwerk). In den Niederlanden gibt es etwa 18 Nachweise (van den Berg & Bosman 1999, www.dutchavifauna.nl), davon keiner aus der NRW benachbarten Provinz Limburg.
Aus Nordrhein-Westfalen sind drei Feststellungen bekannt:
Ein adultes Männchen wurde am 26. November 1874 bei der Hardtburg nahe Euskirchen-Flamersheim (Kreis Euskirchen) im Dolmenstieg gefangen und gelangte dann in die Sammlung der Forstakademie Eberswalde (Le Roi 1906, Neubaur 1957). Die Alters- und Geschlechtsbestimmung scheint aus heutiger Sicht problematisch.
Eine weitere Erddrossel wurde vor dem 23. April 1951 tot bei Düren gefunden. Die Firma H. Sanders in Köln erhielt am 23. April den Vogel, der tot in der Nähe von Düren gefunden worden war (Neubaur 1957). Das genaue Datum des Totfundes muss also offen bleiben, da Neubaur die einzige Quelle ist. Nachfragen bei älteren Ornithologen aus der Nähe von Düren ergaben keine neueren Erkenntnisse (H. Schwarthoff mdl.). Der Vogel gelangte in die Sammlung des Museums Alexander König in Bonn (s. Abb. 1-4).
Eine dritte Erddrossel war am 31. Januar 1959 an einem Schlammteich bei Wülfrath (Kreis Mettmann) (Blasberg, Hunke, B. Lehmann, H. Lehmann). Der Vogel wurde etwa eine halbe Stunde mit Ferngläsern aus 20m Entfernung beobachtet und sicher bestimmt. Er hielt sich an einer hohen Uferböschung unter Hunderten von Rot- und Wacholderdrosseln sowie Amseln und Staren auf und suchte nach Nahrung. Er wirkte nach Aussagen der vier Beobachter doppelt so groß wie eine Wacholderdrossel (Thiele & Lehmann 1959, Mildenberger 1984).
Danksagung: Mein Dank geht an Kathrin Schidelko und Darius Stiels für die hervorragenden Fotos der Erddrossel aus dem Museum Koenig in Bonn.
Literatur:
Dierschke, J., V. Dierschke, K. Hüppop, O. Hüppop & F. Jachmann (2011): Die Vogelwelt der Insel Helgoland, Helgoland.
Glutz von Blotzheim, U. (1988): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 11/2. Wiesbaden.
Hustings, F., J. van der Coelen, B. van Noorden, R. Schols & P. Voskamp (2006): Avifauna van Limburg. Maastricht.
Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes. Düsseldorf.
Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278.
le Roi, O. (1906): Die Vogelfauna der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 63: 1-325.
Slack, R. (2009): Rare Birds Where and When, Vol 1. York.
Thiele, H. U. & H. Lehmann (1959): Die Vögel des Niederbergischen Landes. Jahresberichte des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal 18: 9-90.
van den Berg, A. B. & C. A.W. Bosmann (1999): Zeldzame Vogels van Nederland, Utrecht.
Zang, H. (2005): Erddrossel Zoothera dauma Lath., 1790. In: Zang H. et al.: Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen – Drosseln, Grasmücken, Fliegenschnäpper. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen Sonderreihe B 2.9: 128.
www.dutchavifauna.nl
Anschrift des Verfassers:
Klaus Hubatsch
Hombergen 68
41334 Nettetal