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VdM 11/2015

Der Halsbandschnäpper von Bausenhagen

Von Bernhard Glüer

Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis) gehören im südlichen Kreis Unna – dem Areal, in dem ich relativ regelmäßig zu Beobachtungen im Gelände unterwegs bin – nicht zu dem Artenspektrum, das hier üblicherweise zu erwarten ist. Ihr Verbreitungsgebiet innerhalb Deutschlands liegt – von wenigen isolierten Einzelvorkommen abgesehen – deutlich weiter südlich, etwa in Baden-Württemberg oder in Bayern. Allerdings gibt es auch ein im Norden gelegenes Vorkommen auf den schwedischen Inseln Gotland und Öland. So verwundert es nicht, dass in Nordrhein-Westfalen bisher lediglich 12 Beobachtungen – offenbar alle auf dem Frühjahrszug – dokumentiert wurden (http://nwo-avi.com/blog/?page_id=2519
http://nwo-avi.com/blog/?page_id=3606).

Wegen ihrer geringen Körpergröße und ihrer relativ heimlichen Lebensweise sind Halsbandschnäpper sicher alles andere als eine auffällige Erscheinung und gehören zu den Vogelarten, die nicht nur sehr selten, sondern auch leicht zu übersehen sind. Nach der Brutzeit sind vor allem Weibchen und Jungvögel zusätzlich schnell mit weiblichen bzw. juvenilen Trauerschnäppern zu verwechseln. Auch haben wir Vogelbeobachter vermutlich allesamt bestimmte Präferenzen in unserer Wahrnehmung oder beim Aufsuchen bevorzugter Beobachtungsgebiete, so dass die Wahrscheinlichkeit, auf einen seltenen Halsbandschnäpper zu treffen oder ihn überhaupt zu bemerken, bei jedem Beobachter anders gelagert ist.

Deshalb erwies sich auch für meine Wahrnehmung und meine Beobachtungsgewohnheiten ein Hinweis der „NW-Ornithologen“ bei „Facebook“ als sehr entscheidend. Hier wurde nämlich am 17. September 2015 eine Meldung von der britischen Website „Birding Frontiers“  (http://birdingfrontiers.com/2015/09/17/collared-flycatcher-3/) “geteilt“ und darauf hingewiesen, dass in Blavand (Dänemark) unter bis zum 8. September 2015 gefangenen 50 Trauerschnäppern auf dem Herbstzug erstmals ein Halsbandschnäpper  nachgewiesen werden konnte. Mit Bezug auf diesen Nachweis wurde dazu ermuntert, durchziehende Schnäpper ruhig einmal genauer zu betrachten, und es wurde auf die theoretische Möglichkeit von Herbstbeobachtungen eines Halsbandschnäppers in NRW hingewiesen.

Zu meinen besonders bevorzugten Beobachtungsgebieten gehört im Spätsommer und Herbst – es mag manchen verwundern – ein Sportplatz in der Nähe meines Wohnortes, am westlichen Ortsrand von Fröndenberg-Bausenhagen. Dieser Sportplatz liegt  auf dem Haarstrang –  einer wichtigen Leitlinie für viele Zugvögel – in einer kleinen Senke und ist auf seiner Nordseite, aber auch im Osten und Westen von Ackerflächen umgeben. Im Süden grenzt ein Mischwald an.

Die Sportanlage selbst besteht aus zwei Rasen-Fußballplätzen, die insgesamt von Gehölzsäumen eingefasst sind. Die Rasen-Fußballplätze haben sich vor allem für durchziehende Kleinvögel als besonders attraktiv erwiesen. Durch ihre Lage im landwirtschaftlich geprägten, eher reizarmen Umland und die  Ausgestaltung mit Randgehölzen haben sie den Charakter einer windgeschützten und trotzdem sonnenexponierten, relativ insektenreichen Waldlichtung. Im Spätsommer und Herbst sind hier regelmäßig rastende Gartenrotschwänze – aber auch Trauerschnäpper, Grauschnäpper und andere Arten zu beobachten.

Mit einem Schwerpunkt auf dieser Sportanlage konnte ich auf dem Herbstzug 2015 an 15 Beobachtungsterminen insgesamt 24 Trauerschnäpper registrieren. Vor diesem Hintergrund hat mich der Aufruf der NW-Ornithologen natürlich besonders angesprochen, obwohl ich nicht ernsthaft damit gerechnet habe, „die Nadel im Heuhaufen“ zu finden. Erst recht nicht, dass einen Tag nach diesem Aufruf tatsächlich ein „verdächtiger“ Vogel auftauchen würde.

Am 18. September also, einem sonnigen Spätsommertag, traf ich auf „meinem“ Sportplatz neben einem Gartenrotschwanz und 5 Hausrotschwänzen gleich vier zunächst als Trauerschnäpper bestimmte Vögel an. Es gelang, in einer mehr als einstündigen Beobachtungsphase eine Reihe von Fotos zu machen. Während der Beobachtung waren sowohl die Trauerschnäpper als auch der sich als vermutlicher Halsbandschnäpper präsentierende Vogel auch akustisch wahrnehmbar, was dem Herumturnen eines Eichhörnchens zuzuschreiben war.

Die Trauerschnäpper ließen ein ständig wiederholtes, warnendes „bit“ hören, während vom Halsbandschnäpper ein warnendes, leises „jiiip“ zu hören war. Dieser Ruf war mir aus Halsbandschnäpper-Revieren in den Auwäldern entlang der Donau bekannt und schien das Unmögliche, dass es sich hier tatsächlich um einen Halsbandschnäpper handelte,  immer wahrscheinlicher zu machen. Eine eingehende Betrachtung der gemachten Fotos, die einen charakteristischen weißen Fleck an der Basis der Handschwingen deutlich zeigten, gab zusätzlich weitere Gewissheit.

Abb. 1 – 3 /Sportplatz: Lage des Sportplatzes als beliebter Rastplatz für unterschiedliche Kleinvögel bei Fröndenberg-Bausenhagen auf dem Haarstrang. Der sonnenbeschienene Platz als Trittsteinbiotop in der Agrarlandschaft am frühen Morgen. Die Bandenwerbung wird gern als Ansitz für die Insektenjagd genutzt (hier von einem Grauschnäpper und  Haus- und Gartenrotschwänzen). Alle Fotos: Bernhard Glüer

Abb. 4 – 7: Halsbandschnäpper vom Bausenhagener Sportplatz am 18.9.2015 (Fröndenberg)

Abb. 8: Hybrid Halsbandschnäpper x Trauerschnäpper am 1.5.2015 im Hemmerder Schelk (vom Bausenhagener Sportplatz ca. 2 km entfernt)

Für mich war im Zusammenhang mit dieser Beobachtung noch interessant, dass nahe dem Beobachtungsort, im sogenannten „Hemmerder Schelk“ (bei Unna-Hemmerde), seit 2013 nunmehr in drei aufeinanderfolgenden Jahren ein männlicher Hybridvogel (Halsbandschnäpper x Trauerschnäpper) zur Brutzeit ein Revier besetzt hatte (Pott 2015). Insgesamt wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass offenbar Halsbandschnäpper – wenn auch sehr selten – den hiesigen Raum sporadisch aufsuchen.

Die inzwischen nicht mehr wegzudenkende digitale Vernetzung von uns Beobachtern spielt jedoch sicher auch eine ganz entscheidende Rolle für den ersten Herbstnachweis eines Halsbandschnäppers in Nordrhein-Westfalen. Denn ohne den gezielten Hinweis auf mögliche Herbstdurchzieher dieser Art und einen bereits in Dänemark erfolgten Nachweis hätte ich den Vogel möglicherweise übersehen.

Der Halsbandschnäpper von Bausenhagen, offenbar auch das erste Weibchen in Nordrhein-Westfalen, wurde von der Avifaunistischen Kommission anerkannt.

Literatur:

Baierlein, F.  et al. (2014): Atlas des Vogelzuges. Wiebelsheim.

Gedeon, K. et al. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Münster.

Pott, W. (2015): Ornithologischer Jahresbericht 2014 für Hamm und Umgebung. Hamm.

Anschrift des Verfassers:

Bernhard Glüer

In den Telgen 25

58730 Fröndenberg