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VdM 03/2012

Die Grönlandische Blässgans von Zyfflich

Von Peter de Vries

In der Umgebung von Kranenburg und Zyfflich am Niederrhein überwintern sehr viele Gänse. Hier sind es zum größten Teil Blässgänse, aber ab und zu kann man auch seltene Arten beobachten. So konnte ich im Winter 2010/11 mehrere Kurzschnabelgänse, Rothalsgänse und eine Ringelgans in der Umgebung von Zyfflich (Kreis Kleve) finden.

Seltene Arten entdecken – mit diesem Ziel hatte ich mich auch am Samstag, den 22. Januar 2011, auf den Weg gemacht. Bei der ersten großen Gruppe Gänse parkte ich das Auto und begann, sie mit meinem Spektiv durchzusuchen.

Recht schnell fiel mir eine juvenile Blässgans auf, die ganz voran in der großen Gruppe stand. Sie hatte einen auffallend orangen Schnabel, ganz anders als die Blässgänse, die um sie herum standen. Auch ihre Farbe war auffallend: Viel gleichmäßiger und brauner als bei den anderen Individuen. Der Vogel war etwa 200m von mir entfernt und ließ sich sehr gut beobachten. Je länger ich auch die Gruppe anschaute – der Schnabel der juvenilen Gans blieb auffallend. Das war doch nicht eine gewöhnliche Blässgans? Langsam begann ich zu vermuten, dass es sich um eine Grönländische Blässgans (Anser albifrons flavirostris) handeln könnte.

Grönländische Blässgans, 22.1.2011 (c) Peter der Vries

Das sollte eine Besonderheit sein, und ich versuchte, so viele Merkmale dieser Art wie möglich zu finden.  Ich wusste, dass die weiße Schwanzendbinde bei der grönländischen Unterart schmaler ist als bei der gewöhnlichen Blässgans, und bemühte mich, den Unterschied so deutlich wie möglich zu erkennen. Das gelang mir recht gut. Weiterhin fiel mir auf, dass der weiße Rand unter dem Flügel im Vergleich zu den anderen Blässgänsen nicht breit war. Er war vielmehr eine dünne Linie. Der Vogel schien auch größer zu sein als die anderen Gänse und außerdem einen längeren Hals zu haben. Auch die Schnabelform war auffallend: Länger und an der Basis deutlich dicker. Auf dem Bauch waren keine schwarzen Streifen zu erkennen, und der Vogel hatte auch keine weiße Blässe. Also musste dies noch ein Jungvogel sein.

Die Gans war alleine und stand eine ganze Zeit abseits vom Rest der Gruppe, dabei immer am Rande des Trupps, und mischte sich nie mitten unter die anderen Vögel.

Noch im Gelände machte ich die folgende Beschreibung:

Größe und Körperform: Etwas größer und mit einem längeren Hals als die übrigen Blässgänse (direkter Vergleich war möglich).

Bloßliegende Körperteile: Orange Füße. Schnabel heller orange (mehr orange als bei einer Graugans, direkter Vergleich war möglich) mit schwarzem Nagel. Schnabelform deutlich anders als bei übrigen Blässgänsen: Länger und an der Basis höher.

Bauch, Hals und Kopf: Dunkler als übrige junge Blässgänse, eher schokoladenbraun. Weißer Seitenstreifen sehr dünn.

Rücken: Scheint etwas dunkler als bei den übrigen jungen Blässgänsen.

Schwanz: Dunkel; schwarz/braun mit dünnem weißem Rand.

Eine Serie von Fotos sicherte die Beobachtung ab (Abb. 1 und 2).

Zu Hause angekommen versank ich sofort in meine Vogelbücher. Obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass es sich um eine Grönländische Blässgans handelte, wollte ich gerne noch einmal alles überprüfen.

Die Bestimmung als Art Blässgans ist einfach. Eine Graugans ist größer, grauer und die Form des Kopfes und des Schnabels ist beispielsweise anders. Eine Saatgans hat immer Schwarz auf dem Schnabel und die Farbe des Rückengefieders weicht erheblich ab. Die Bestimmung als Grönländische Blässgans ist dagegen nicht so einfach, denn sie ist leicht zu verwechseln mit ‚normalen’ Blässgans-Individuen, die einen orange Schnabel haben.

Das Alter der Gans war einfach zu bestimmen: Sie war noch ein Jungtier – zu erkennen am Fehlen der weißen Blässe und der schwarzen Streifen am Bauch.

Leider blieb der Vogel offenbar nur kurze Zeit in Zyfflich. Am folgenden Tag konnte ich ihn dort nicht mehr wiederfinden.

Die Beobachtung wurde der Deutschen Avifaunistischen Kommission (DAK) vorgelegt, die die Bestimmung bestätigte und die Beobachtung akzeptierte (DAK brfl.). Damit ist dies erst die zweite anerkannte Beobachtung einer Grönländischen Blässgans in Nordrhein-Westfalen. Die Erste wurde – zufällig auch bei Zyfflich! – am 28. Dezember 1994 von Detlef Gruber, Daniela Strauss und Sascha Büttner entdeckt (DSK 1996) (Abb. 3 und 4).

Grönländische Blässgans, 28.12.1994 (c) Detlef Gruber

Grönländische Blässgans, 28.12.1994 (c) Sascha Büttner

Literatur:

van Duivendijk, N. (2010): Advanced bird id guide of the Western Palearctic. London.

Harris, A., L. Tucker & K. Vinicombe (1989): The MacMillan fieldguide to bird identification. London.

Ely, C. R. & A. X. Dzubin (1994): Greater White-fronted Goose (Anser albifrons), The Birds of North America Online (A. Poole, Ed.). Ithaca: Cornell Lab of Ornithology; Retrieved from the Birds of North America Online: http://bna.birds.cornell.edu/bna/species/131doi:10.2173/bna.131

Deutsche Seltenheitenkommission (1996): Seltene Vogelarten in Deutschland 1994. Limicola 10: 209-257.

Sibley, D. (2000): The North American Bird Guide. East Sussex.

Anschrift des Verfassers:

Peter de Vries

Zum Wyler Meer 8

47559 Zyfflich-Kranenburg