VdM 04/2017
Die Mauerläufer von Nordrhein-Westfalen
Von Eckhard Möller
Die Basalt-Steinbrüche bei Bonn-Oberkassel sind bis heute spektakulär. Hier wurde zum ersten Mal am 31. Oktober 1925 ein Mauerläufer (Tichodroma muraria) an den steilen Wänden entdeckt. Auch schon in den 1920er Jahren waren die Vogelkundler unterwegs, wenn irgendwo in der Umgebung seltene Arten gemeldet wurden, und versuchten sie zu sehen. So auch der bekannte rheinische Ornithologe Fritz Neubaur: „In dem darauf folgenden November konnten mein Vater und ich den schönen Wintergast an gleicher Stelle beobachten, und Ende dieses Monats erlegte ihn A. v. Jordans als Belegstück für das Museum…“, schrieb er 1957 in seiner „Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz“ (Neubaur 1957: 53).
Adolf von Jordans (1892-1974) war damals stellvertretender Direktor des Museums Koenig in Bonn. Der Balg des Mauerläufers befindet sich auch heute noch in der dortigen Sammlung (Abb. 1, 2). Es war der dritte Nachweis dieser Hochgebirgs-Art in Nordrhein-Westfalen.
Bis heute liegen dreizehn weitere Beobachtungen vor:
27. November 1904 bei Arnsberg (Hochsauerlandkreis), ermattet gefunden, gestorben (Freitag) (Peitzmeier 1969).
März 1910 mehrere Wochen am Drachenfels (Rhein-Sieg-Kreis) (le Roi & Geyr von Schweppenburg 1912, Mildenberger 1984).
Februar 1926 an den „Zinnen“ des Drachenfels (Rhein-Sieg-Kreis), „als er von zwei sich bekämpfenden Wanderfalkenweibchen aufgescheucht wurde“ (Neubaur 1957: 53).
Oktober 1944 bei Schwalenberg (Kreis Lippe), gefangen und freigelassen (Niederbracht nach Goethe 1948, Peitzmeier 1969).
Einige Jahre vor 1951 Herford am aus Bruchsteinen gemauerten Amtsgericht von E. Brandt mehrere Tage beobachtet (Goethe 1951, Peitzmeier 1969).
3. Dezember 1966 Turm der Schwanenburg Kleve (Vogel).
25. Oktober 1985 Steinbruch oberhalb Bonn-Oberkassel (Ernst Goedecke).
31. Dezember 1985 Steinbruch bei Bonn-Oberkassel (Peter Füßlein, Frau Füßlein) – möglicherweise dasselbe Individuum wie am 25.10.1985?
7.-11. Mai 2005 Externsteine bei Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe), Männchen, Fotos (Eckhard Möller, Peter Meyrahn, Jörg Hadasch, Wolfgang Beisenherz, Frieder Morgenstern, Heinz Bongards u.v.a.) (Sonnenburg & Möller 2004) (Abb. 3).
13./14. März 2006 Kraftwerksgebäude Diemselsee (Hochsauerlandkreis), Fotos (Alfred Gottmann, Franz-Josef Stein, Richard Götte, Bernhard Koch) (Abb. 4).
16. Dezember 2007-13. April 2008 Diemelsee-Staumauer bei Schirrhof (Hochsauerlandkreis), Männchen, Fotos (Alfred Gottmann, Franz-Josef Stein, Fabian Simon Becker) (Gottmann 2010) (Abb. 5).
18.-31. Dezember 2010 Drachenfels Königswinter (Rhein-Sieg-Kreis), Fotos (Jörg Jansmann, Gabriele Friedrich-Meyer, Claudine Strack) (Abb. 6).
6.-9. März 2011 Steinbruch Bonn-Oberkassel, Fotos (Kathrin Schidelko, Darius Stiels, Norbert Uhlhaas, Reiner Petersen, Willi Fischer, Jörg Jansmann, Sven Nekum) (Abb. 7).
Abb. 1, 2 Der Mauerläufer von Bonn-Oberkassel von 1925. Museum Koenig Bonn. Fotos: Kathrin Schidelko/Darius Stiels 2017.
Abb. 3 Der Mauerläufer an den Extersteinen (Kreis Lippe) Mai 2005. Foto: Gerd Strakeljahn
Abb. 4 Der Mauerläufer vom Diemelsee März 2006. Foto: Richard Götte
Abb. 5 Der Mauerläufer von der Diemelsee-Staumauer April 2008. Foto: Alfred Gottmann
Abb. 6 Der Mauerläufer vom Drachenfels Dezember 2010. Foto: Jörg Jansmann
Abb. 7 Der Mauerläufer von Oberkassel März 2011. Foto: Norbert Uhlhaas
Im Archiv der AviKom befindet sich noch eine weitere Meldung: Vom 8. bis zum 12. August 1987 wurden gleich zwei Mauerläufer an den Wänden des Forsthauses Dedenborn bei Simmerath (Aachen) von dem Förster Böttcher beobachtet. Die Meldung wurde von der Seltenheiten-Kommission der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen (GRO) anerkannt. Die Artbestimmung steht nach der Beschreibung außer Frage. Die absolut ungewöhnliche Jahreszeit der Beobachtung und die Tatsache, dass gleich zwei Individuen an den Hauswänden anwesend waren, lassen erhebliche Zweifel aufkommen, ob es sich um zwei Wildvögel gehandelt hat. Mauerläufer werden als spektakuläre Singvögel auch in Volieren gehalten. Die AviKom hat daher diese Angabe nicht in die Liste der anerkannten Nachweise in die Kategorie A übernommen.
Dass Mauerläufer im Winterhalbjahr auch fernab ihrer Brutgebiete in geeigneten Habitaten angetroffen werden können, belegt zum Beispiel die eindrucksvolle Zusammenstellung von Kramer (1968), der Daten aus 21 mittel- und westeuropäischen Ländern, Bundesländern und Regionen zusammengestellt hat.
In der rheinischen Avifauna von Mildenberger (1984) sind allein 13 Nachweise von Mauerläufern aus dem heute zu Rheinland-Pfalz gehörenden Teil der ehemaligen „Rheinprovinz“ aufgeführt, der bis dahin letzte vom November 1974.
Aus Niedersachsen konnte Zang (in Zang et al. 1998) nur einen zweifelsfrei dokumentierten Mauerläufer auflisten: Um 1844 wurde einer im Gymnasialgebäude von Osnabrück gefangen und getötet. Der Balg befindet sich im Osnabrücker Naturkundemuseum.
Selbst auf der Liste der Vögel von Helgoland findet sich ein Mauerläufer: Am 18. Mai 1974 überflog einer die Landungsbrücke (Dierschke et al. 2011).
Der berühmteste Mauerläufer bei unseren niederländischen Nachbarn wurde am 13. November 1989 über dem Haupteingang der Freien Universität in Amsterdam entdeckt, wo er sich bis zum 11. April 1990 aufhielt. Sicherlich derselbe Vogel kehrte dann im folgenden Winter wieder an denselben Ort zurück und blieb vom 27. November 1990 bis zum 5. April 1991 (van den Berg & Bosman 1999).
Der zweite Mauerläufer in den Niederlanden überwinterte 2010/11 und 2011/12 am Sint Pietersberg bei Maastricht/Limburg (www.dutchavifauna.nl).
Im gerade abgelaufenen Winter 2016/17 hat wieder ein Mauerläufer zahlreiche Birder aus Nordrhein-Westfalen und anderswo begeistert. Wo ist das wohl gewesen? Natürlich in den alten Steinbrüchen bei Bonn-Oberkassel, dem Hotspot in NRW für diesen grau-roten eindrucksvollen Schmetterlingsflieger!
Danksagung: Mein Dank geht an Stefanie Rick vom Museum Koenig in Bonn, die den Oberkasseler Mauerläufer in der Sammlung aufgespürt hat, und an Kathrin Schidelko und Darius Stiels für die hervorragenden Fotos.
Literatur
van den Berg, A. B. & C. A. W. Bosmann (1999): Rare birds in the Netherlands. Utrecht.
Dierschke, J., V. Dierschke, K. Hüppop, O. Hüppop & K. F. Jachmann (2011): Die Vogelwelt der Insel Helgoland. Helgoland.
Goethe, F. (1948): Vogelwelt und Vogelleben im Teutoburgerwald-Gebiet. Detmold-Hiddesen.
Goethe, F. (1951): Vogelkundlicher Bericht aus dem Teutoburger-Wald-Gebiet 1947-1950. Mitteilungen aus der lippischen Geschichte und Landeskunde 20: 199-217.
Gottmann, A. (2010): Überwinterung eines Mauerläufers (Tichodroma muraria) am Diemelsee. Vogelkundliche Hefte Edertal 36: 98-99.
Kramer, H. (1968): Zum Einflug des Mauerläufers (Tichodroma muraria) in Gebiete außerhalb seines Brutareals. Ornithologische Mitteilungen 20: 181-186.
Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes, Band 2. Düsseldorf.
Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278.
Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Münster.
le Roi, O. & H. Geyr von Schweppenburg (1912): Beiträge zur Ornis der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 69: 1-150.
Sonnenburg, H. & E. Möller (2004): Ein neuer Nachweis des Mauerläufers Tichodroma muraria in Westfalen. Charadrius 40:191-194.
Zang. H. & H. Heckenroth (Hg.) (1998): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen – Bartmeisen bis Würger. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, Sonderreihe B Heft 2.10. Hannover.
Anschrift des Verfassers:
Eckhard Möller
Stiftskamp 57
32049 Herford