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VdM 01/2015

Der Papageitaucher von Emmerich

Von Justin JFJ Jansen

Während meiner Untersuchungen in den Sammlungen des Missiemuseums in Steijl, Limburg/Niederlande, die in Jansen (2012b) beschrieben sind, stieß ich auf viele Vögel, die von deutschem Boden stammen. In den verschiedenen Notizen im Archiv von Steijl fand ich einen Zettel, auf dem der Fund eines Papageitaucher Fratercula arctica am 12. Januar 1907 am Rhein bei Emmerich (Kreis Kleve) dokumentiert war. Das ist einer der nur sehr wenigen Binnenlandnachweise in Europa (cf. Glutz et al. 1982).

Abb. 1-3 Der Papageitaucher von Emmerich 1907. Museum Koenig Bonn. Fotos: Kathrin Schidelko & Darius Stiels, November 2012.

Nach der Veröffentlichung in Jansen (2012b) versuchte Eckhard Möller von der Avifaunistischen Kommission der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) herauszufinden, ob dieses Individuum von Steijl identisch ist mit dem von le Roi & Geyr von Schweppenburg (1912) und Mildenberger (1982) erwähnten Papageitaucher von Emmerich 1907, der aber im Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn aufbewahrt sein soll, oder ob eventuell zwei Individuen dort geschossen worden sind. Auf seine Bitte hin konnten Kathrin Schidelko und Darius Stiels den Balg des Vogels dann tatsächlich in der Sammlung in Bonn auffinden (Abb. 1-3). Zur Klarstellung soll diese Arbeit dienen.

Das Missiemuseum in Steijl

Das Museum wurde von Pater Arnold Janssen (1837-1909) gegründet – als Folge des „Kulturkampfes“, der sich damals 1871-78 auf Grund der Politik des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck in Deutschland abspielte. Janssen floh in die Niederlande und gründete am 8. September 1875 den Orden Societas Verbi Divini (SVD) in Steijl nahe Venlo, gerade jenseits der Grenze von Nettetal. Von Steijl aus begann er mit der Gründung von Missionsstationen im Ausland „das Wort des Herrn“ zu verbreiten. Die Steyler Missionare, wie sie gemeinhin genannt werden, sind eine römisch-katholische Ordensgemeinschaft.

Die erste Station wurde 1879 in Hongkong aufgebaut, gefolgt von dem gepachteten deutschen Protektorat Qingdao (Provinz Shandong, Volksrepublik China) 1882 und 1884 in dem von Otto Finsch in Neuguinea ausgerufenen Protektorat Kaiser-Wilhelm-Land. Weitere Missionsstationen folgten wie Italien (1888), Argentinien (1889), Togo (1892), Brasilien (1895) und in weiteren 50 anderen Ländern (cf. Jansen 2012b).

Das Missiemuseum wurde 1897 eröffnet. Die Vögel, die in Steijl eintrafen, stammten aus allen Regionen der Welt. Sie waren von Missionaren erworben, aber auch von Zoos, Klöstern, privaten Sammlungen und Händlern gekauft. Aus Zoos wie dem in Münster, wie Natura Artis Magistra in Amsterdam oder Castle Broekhuizen (Arcen/Niederlande) kamen viele Vögel aus Gefangenschaft. Einige Beispiele von Klöstern sind die in Drieburg, Geilenkirchen, Neuenkirchen und Wengerohr (Bernkastel-Wittlich) sowie Waterleyde in den Niederlanden (140 Vögel, 19. Juni 1930). Auch von Privatsammlern wie Franz Werner (1867-1939) aus Wien, Johannes Renier Joseph van der Harten (1852-1925) aus Eindhoven, D. W. Jansen (1912) aus Arnheim, Carolus Roncken (1871-1944) aus Arcen und J. L. Wielders (1920/21) aus Venlo wurde gekauft. Und auch bei einem Naturalienhändler wie Wilhelm Schlüter (1828-1919) in Halle an der Saale wurden zahlreiche Käufe getätigt.

Besonders deutsche Missionare waren in fremden Ländern tätig – wie Franz Bartels (1889-1928) und Ludwig Klapheck (1868-1931) in Qingdao, Friedrich Girards (1875-1935), Hermann auf der Heide (1865-1930), Franz Kirschbaum (1882-1930) und Andreas Puff (1879-1939) in Kaiser-Wilhelm-Land (nordöstlicher Teil der Insel Neuguinea) und P. A. Müller (um 1907/08) und Wilhelm Schmidt (1868-1954) in Brasilien. Bis heute ist nicht bekannt, wieviel von jeder Sammlung noch existiert, weil es kein Register gibt.

Abb. 4 Die Ausstellung im Missiemuseum Steijl. Foto: Justin Jansen.

Abb. 5 Die Steppenhühner in der Steijler Ausstellung. Foto: Justin Jansen, Juli 2006.

Abb. 6 Der Dünnschnabel-Brachvogel in der Steijler Ausstellung. Foto: Justin Jansen, August 2011.

Abb. 7 Die Bernsteinseeschwalbe in der Steijler Sammlung. Foto: Justin Jansen, August 2011.

Für die Ausstellung (Abb. 4) und auch in Form von wenigen Sammlungs-Bälgen sind noch – so unser heutiger Wissensstand – ungefähr 878 Bälge von etwa 475 Arten in Steijl. Dabei muss man bedenken, dass mehrere tausend Vögel in Steijl eingetroffen und dann in den Verkauf durchgelaufen sind. Unter ihnen waren viele herausragende Arten wie Kakapo Strigops habroptilus, Spixara Cyanopsitta spixii (in Brasilien geschossen), Hyacinthara Anadorhynchus hyacinthinus, Soldatenara Ara militaris, Steppenflughuhn Syrrhaptes paradoxus (adultes Weibchen und junges Weibchen aus Zeelst, Eindhoven/Noord-Brabant/NL und adultes Männchen aus einer privaten Sammlung in Amsterdam, Abb. 5), Schelladler Aquila clanga (5. November 1892 Weert, Limburg/NL) (cf. van der Vliet et al. 2005), Dünnschnabel-Brachvogel Numenius tenuirostris (5. Dezember 1888 Zierikzee, Zeeland/NL, cf. De Graaf 1893, Jansen 2012a, Abb. 6), Schwalbenmöwe Xema sabini, Elfenbeinmöwe Pagophila eburnia, Streifenkiwi Apteryx australis ssp., Harpyie Harpia harpyja, Kea Nestor notabilis und Präriehuhn Tympanuchus cupido ssp. Nicht in der Ausstellung ist die Bernsteinseeschwalbe Thalasseus bernsteini im zweiten Kalenderjahr, geschossen in der Jiaozhou-Bucht etwa 1908/09 (Abb. 7).

Natürlich sind in der Sammlung auch verschiedene regional seltene Vögel aus den Niederlanden zu finden. Moorente Aythya nyroca (Männchen, Stratum/Noord-Brabant), Eiderente Somateria mollissima (Venlo/Limburg), Mittelsäger Mergus senator (Männchen, Gennep/Limburg & 15. Februar 1922 Blerick/Limburg), Zwergdommel Ixobrychus minutus (Arcen/Limburg), Prachttaucher Gavia arctica (Winter 1913 Arcen), Stelzenläufer Himantopus himantopus (Mitte Juli 1884 Valkenswaard/Noord-Brabant), Wachtelkönig Crex crex 1. Oktober 1906 Tegelen/Limburg), Mittelspecht Dendrocopus medius (15. Februar 1922 Blerick/Limburg), Seidenschwanz Bombycilla garrulus (6. November 1921 Maasbree), Großtrappe Otis tarda (10. Februar 1922 Wittem & 6. Januar 1912 Arcen/Limburg) und Steppenweihe Circus macroura (junges Männchen Valkenswaard, von der niederländischen Seltenheitenkommission nicht anerkannt, weil Daten fehlen).

Aus Deutschland stammen Sterntaucher Gavia stellata (1879 Rhein) und Wachtelkönig (7. Dezember 1883 Recke bei Ibbenbüren) – die beiden Bälge sind auf einer Liste vom 22. Dezember 1921 vom Zoo Münster aufgeführt, wo sie zum Verkauf standen.

Einige Arten gelangten aus mehreren Regionen in die Sammlung, so zum Beispiel Birkhühner Tetrao tetrix: Ein balzendes Männchen aus Westfalen, ein Weibchen aus Münster, Männchen und Weibchen aus Lichtevoorde (Gelderland/NL), drei Küken aus Belgien und zwei weitere aus dem Zoo Münster.

Die Eiersammlung, die zum größten Teil Arten aus anderen Ländern als den Niederlanden enthielt, ist bis heute verschwunden (ein Teil davon war von A. A. Pelt Lechner untersucht worden).

Binnenland-Papageitaucher

Wenige Nachweise im deutschen Binnenland sind bei Glutz et al. (1982) und Zang (1991) dokumentiert (so zum Beispiel Frühjahr 1841 bei Tamm in Nord-Württemberg, 12. November 1890 bei Edelstetten an der Mindel in Schwaben und 18. September 1985 im Breitenheeser Forst in der Lüneburger Heide). Für Nordrhein-Westfalen hat Peter Herkenrath (2008) die wenigen Daten zusammengefasst:

Winter 1844/45 bei Emmerich (!) geschossen

3.2.1929 Rhein bei Monheim, 2.3.1929 ebendort (dasselbe Individuum?)

14.9.1996 Düsseldorf-Oberkassel, lebend gegriffen.

Der Vogel von Emmerich 1907 war danach erst der zweite für das Bundesland.

Er wurde am 12. Januar 1907 von dem Lehrer Venderbosch „auf dem Rhein bei Emmerich“ geschossen (Koenig 1922).

Der Papageitaucher in der Sammlung in Steijl hat einen massiven Schnabel, und wenn man sich die Abbildung in Glutz et al (1982: 1233) anschaut, sollte er etwa 4 Jahre oder älter sein. Außerdem ist der Vogel weitgehend im Sommergefieder – unmöglich für ein Januar-Datum (Glutz: 1231). Der Papageitaucher dort und die Eisente Cangula hyemalis vom Dezember 1894 (Kirchberg, Jülich) sind beide auf gleichgroßen Zetteln von Karl Riotte aufgeführt, die sehr wahrscheinlich als Notizen für seine geplanten „Vögel von Limburg“ (Riotte 1913, 1922, 1923) dienten.

Der Bonner Papageitaucher ist eindeutig im Winterkleid, aber ist ebenfalls älter.

Zum Abschluss: Es ist unzweifelhaft nur ein Vogel im Spiel, und das ist der Papageitaucher in Bonn. Der bei Jansen (2012b) erwähnte Papageitaucher ist nicht der von Emmerich, sondern ist von bisher unbekannter Herkunft.

Danksagung: Mein Dank geht an Eckhard Möller von der AviKom NRW für die hartnäckige Klärung der Sachlage und die gute Zusammenarbeit und an Kathrin Schidelko & Darius Stiels für die hervorragenden Fotos des Bonner Vogels.

Literatur

De Graaf, H. W. (1893): Letter. Ibis 6: 150-151.

Glutz von Blotzheim, U. & K. M. Bauer (Hg.) (1982): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 8/II. Wiesbaden.

Herkenrath, P. (2008): Er kam aus dem Norden: Der Papageitaucher aus Düsseldorf. Vogel des Monats Oktober 2008. www.nwo-avi.com.

Jansen, JJFJ (2012a): Dunbekwulp verzameld bij Zierikzee in December 1888. Dutch Birding 34: 314-315.

Jansen, JJFJ (2012b): Missiemuseum, Steijl, the Netherlands – the history of a little known collection. Bull. B.O.C. 132: 212-214.

Koenig, A. (1922): Ornithologische Miscellen aus dem Rheinland. Ber. Vers. Bot. Zool. Ver. Rheinland-Westfalen 8: 8-12.

le Roi, O. & H. Geyr von Schweppenburg (1912): Beiträge zur Ornis der Rheinprovinz: Erster Nachtrag zur Vogelfauna der Rheinprovinz. Naturhist. Ver. preuss. Rheinlande Westfalens 69: 1-150.

Mildenberger, H. (1982): Die Vögel des Rheinlandes, Bd. 1. Düsseldorf.

Riotte, P. C. (1913): Een bijdrage tot de Avifauna van Limburg. Ardea 2: 46-71.

Riotte, P. C. (1922): Bijdrage tot de avifauna (vogelbeschrijving) der Holl. provincie Limburg. I. Roofvogels. Jaarber. Club Nederl. Vogelk. 12: 7-44.

Riotte, P. C. (1923): Die Raubvögel der holländischen Provinz Limburg. Ein Beitrag zur Avifauna von Limburg. Natuurh. Genootsch. Limb. Jaarboek 1920-1923: 61-96.

van der Vliet, R. E., J. van der Laan & CDNA (2005): Rare Birds in the Netherlands. Dutch Birding 27: 367-394.

Zang, H. (1991): Papageitaucher Fratercula arctica (L., 1758), in: Zang, H., G. Großkopf & H. Heckenroth: Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen – Raubmöwen bis Alken. Natursch. Landschaftspfl. Niedersachsen Sonderreihe B Heft 2.6: 190.

Anschrift des Verfassers:

Justin JFJ Jansen

Ravelijn 6

NL-5361 EJ Grave

Niederlande