VdM 09/2015
Die Samtkopf-Grasmücke von Gelsenkirchen
Von Eckhard Möller
Ihr Schnarren hört man bei nahezu jedem Urlaub irgendwo im Mittelmeerraum. Sie sind akustisch immer präsent. Mit dem Sehen ist es oft schwieriger, denn sie halten sich gerne in dichtem Buschwerk im Schutz der Blätter und Zweige auf. Doch mit ein wenig Geduld gelingt es, zuerst den schwarzen Kopf und dann auch das „rote Auge“ zu sehen, zumindest wenn es ein Männchen ist. Die Weibchen sind da etwas unscheinbarer. Samtkopf-Grasmücken (Sylvia melanocephala) sind immer fröhlich und gut drauf.
Am 1. Oktober 1999 hielt sich Peter Bender (Dorsten) im östlichen Teil des Hauptfriedhofs von Gelsenkirchen auf. Gegen Mittag hörte er aus einem Ligusterstrauch einen Vogel, dessen Rufe er mit “trett-trett-trett“ oder „trr-trr-trr“ beschrieb. Sehr mechanisch und hart und manchmal sehr schnell. PB vermutete eine Samtkopf-Grasmücke, mit deren Rufen er seit einem Spanienurlaub kurz zuvor vertraut war.
Nach kurzer Suche konnte er mit dem Fernglas im Gebüsch tatsächlich eine männliche Samtkopf-Grasmücke entdecken und ausführlich beobachten. PB informierte Andreas Buchheim in Datteln, aber die Nachsuche blieb leider ohne Erfolg, auch am folgenden Tag.
Abb. 1: Die Gelsenkirchener Samtkopf-Grasmücke. Zeichnung: Peter Bender
Folgende Kennzeichen konnte PB beschreiben:
„ – robuste, kurzflügelige Grasmücke mit langem deutlich gerundetem Schwanz, geringer Handschwingenprojektion
– Schwarze Kapuze, die über die Ohrdecken herabgezogen ist und das Auge mit einfasst
– Roter Lidring, rötliche Iris
– Kräftiger Schnabel, Oberschnabel schwarz, Unterschnabel 2/3 schwarz, zur Basis hin aufgehellt
– Reinweiße Kehle
– Dunkle grauschwarze Oberseite
– Schirmfedern und Armschwingen + Handschwingen dunkler (schwarz) als die Oberseite, bei den Schirmfedern besonders auffällig, diese auch mit helleren Säumen
– Flanken grau überhaucht, reicht bis zum Laufansatz und endet vor dem Steiß. Steiß wieder heller, aber nicht so hell wie Kehle
– Schwanzfedern von oben fast so dunkel wirkend wie der Kopf, weiße schmale Fahnen an den äußeren Steuerfedern
– Läufe schmutzig rotbraun.“
Die Beobachtung wurde von der Deutschen Seltenheitenkommission anerkannt (DSK 2005). Es war der erste und bis heute einzige Nachweis einer Samtkopfgrasmücke in Nordrhein-Westfalen und erst der siebte in Deutschland.
In Rheinland-Pfalz konnte bisher offenbar noch keine Samtkopf-Grasmücke entdeckt werden (www.ak-rlp.de). Bei unseren niederländischen Nachbarn sind bisher 9 Samtkopf-Grasmücken nachgewiesen worden; alle waren Männchen. Der erste Nachweis war ein überwinternder Vogel vom Dezember 1980 bis 22. Februar 1981 in Amsterdam, der bisher letzte am 26./27. April 2006 bei Bergen (www.dutchavifauna.nl).
Für Niedersachsen konnte Zang (in Zang et al. 2005) nur eine Samtkopf-Grasmücke auflisten: Am 20. April 1974 wurde ein Männchen auf der Insel Neuwerk gefangen.
Auch aus Schleswig-Holstein (ohne Helgoland) gibt es bisher nur eine Beobachtung: Ein Männchen vom 12. bis 14. Mai 1979 im nordfriesischen Westerheversand (Radomski 2009). Von der Insel Helgoland gibt es bisher 5 Nachweise zwischen 1969 und 2003, davon 4 vom Heimzug und einen vom Herbst (Dierschke et. al. 2001).
Wenn hoffentlich bald mal wieder eine in Nordrhein-Westfalen auftauchen sollte, darf der glückliche Entdecker davon ausgehen, dass er sie erst hören wird, bevor er sie sieht…
Abb. 2: Männliche Samtkopf-Grasmücke, Fuerteventura/Spanien März 2014. Foto: Eckhard Lietzow
Literatur
Deutsche Seltenheitenkommission (2005): Seltene Vogelarten in Deutschland 1999. Limicola 19: 1-63.
Dierschke, J., V. Dierschke, K. Hüppop, O. Hüppop & K. F. Jachmann (2011): Die Vogelwelt der Insel Helgoland. Helgoland.
Radomski, U. (2009): Seltene Vogelarten in Schleswig-Holstein und Hamburg. Neumünster.
Zang, H., H. Heckenroth & P. Südbeck (2005): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen – Drosseln, Grasmücken, Fliegenschnäpper. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, Sonderreihe B Heft 2.9.Hannover.
Anschrift des Verfassers:
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