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VdM 01/2016

Die „Isländische“ Rotdrossel von Laarbruch

Von Eckhard Möller & Peter de Vries

Es war am 19. Oktober 1973, als der britische Major W. A. C. Griffiths, der am Niederrhein stationiert war, in Laarbruch bei Weeze (Kreis Kleve) eine verunglückte Drossel fand, die offenbar gegen ein Hindernis geflogen war und einen gebrochenen Schnabel hatte. Es war ganz eindeutig eine Rotdrossel (Turdus iliacus).

Der Vogel gelangte dann Anfang 1974 in das Museum Koenig in Bonn, in dessen Sammlung der Balg bis heute aufbewahrt wird (Abb. 1-4). Sein Geschlecht wurde – sicherlich bei der Präparation – als männlich bestimmt (Wolters 1975). Seine Flügellänge wurde mit 124 mm gemessen.

Abb 1-5 Der Rotdrossel-Balg im Museum Koenig Bonn. Klassifiziert als „coburni“. Alles Fotos: Darius Stiels ZFMK, November 2015

Nicht mehr klar ist heute, wer die Drossel als „Isländische“ Rotdrossel (T. i. coburni) identifiziert hat. Nach der kurzen Notiz von Wolters (1975) könnte es sein, dass der Finder Griffiths sie so bestimmt und dann dem Museum übergeben hat. Dort hat offenbar Hans Edmund Wolters, damals Kurator der Sammlung und weithin bekannter Taxonom, die Unterart-Festlegung übernommen (s. Abb. 5).

Abb. 6: Rotdrossel & Isländische Rotdrossel. Fotos: Nils van Duivendijk & Frank Neijts. Übersetzung: PdV & Nicole Feige

In seiner Zusammenstellung über Nachweise seltener Vogelarten im Rheinland führt Wolters (1979) dieses Indivduum als coburni auf, allerdings mit dem falschen Datum 19.10.1972. Die Drossel war folglich vom seit 1972 bestehenden Seltenheiten-Ausschuss der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen (GRO) als coburni anerkannt worden. Die Rotdrossel von Laarbruch ist bis heute die einzige als coburni bezeichnete in Nordrhein-Westfalen (Mildenberger 1984).

Im Herbst 2015 kamen die Isländischen Rotdrosseln mit der viel beachteten britischen Veröffentlichung von Martin Garner „Challenge Series: Winter“ voll in die Diskussion. Dort werden sehr klar und übersichtlich die Unterschiede zwischen den beiden europäischen Unterarten der Rotdrosseln dargestellt, beschrieben und illustriert.

In der Folge begannen an vielen Orten in Mittel- und Westeuropa die Birder auf die möglichen isländischen Drosseln zu achten, die bis dahin so gar nicht auf dem Schirm der Beobachter gewesen waren. Nachrichten von der Fangstation der Vogelwarte auf Helgoland machten im Internet schnell die Runde, dass eine ganze Reihe Isländischer Rotdrosseln in die Netze geflogen sei.

Dies führte dazu, dass wir Darius Stiels vom Museum Koenig in Bonn baten, nach dem Balg von Laarbruch zu schauen und ihn zu fotografieren. Die vorzüglichen Bilder waren eine große Überraschung: Wir konnten kein einziges der für eine coburni-Rotdrossel als typisch beschriebenen Kennzeichen entdecken.

Warum ist diese Rotdrossel keine coburni? Bevor wir diese Frage beantworten, fassen wir die wichtigsten Kennzeichen der isländischen Unterart zusammen. Es ist nicht immer leicht, coburni-Rotdrosseln zu erkennen, aber es gibt einige Kennzeichen, die sehr wichtig und hilfreich sind:

1. Coburni sind viel dunkler als die ‚normalen‘ Rotdrosseln.

2. Die Oberseite hat keinen Grauton und ist dunkler braun.

3. Die Ohrdecken sind dunkel (fast schwarz) und zeigen fast keine hellen Federn in der Mitte.

4. Brust und Bauch haben mehr und breitere schwarze Flecken, die einen generell viel dunkleren Eindruck hervorrufen. Die Grundfarbe der Brust ist graubraun ohne reines Weiß.

5. Die Flankenmuster sind breiter, und daher ist der Bauch weniger weiß.

6. Die Unterschwanzdecken haben mehr und dunklere Flecken, so dass dort weniger Weiß sichtbar ist.

7. Die Beine/Füße sind dunkler (rosa-braun) als die der ‚normalen‘ Rotdrosseln, deren Beine heller braun sind (siehe Abb. 6).

8. Die Größe ist ebenfalls unterschiedlich. Die Flügel sind länger, es gibt aber einen Überschneidungsbereich. Eine Flügellänge über 127 mm weist immer auf coburni.

Wenn wir uns die Fotos genauer anschauen, sehen wir sofort, dass dieser Vogel keinen dunklen Eindruck macht. Auch die anderen oben erwähnten Kriterien passen nicht für diesen Balg; so ist zum Beispiel die Oberseite nicht dunkel, der Bauch ist klar weiß, die Ohrdecken sind nicht dunkel und die Beine (obwohl die Farbe sich durchaus verändern kann während der Jahre in der Museumssammlung) viel zu hell. Auch die Flügellänge von 124 mm passt nicht eindeutig auf coburni. Darüberhinaus ist der Vogel im ersten Winter, und man könnte sich fragen, ob das Funddatum eine Herkunft aus Island unterstützt.

Wir können daraus nur eine Schlussfolgerung ziehen: Dieses Individuum gehört zur Nominatform der Rotdrossel und ist sicherlich keine coburni.

Mit den Kenntnissen von heute mag es verwundern, dass dieser Vogel mit dem Label coburni in einer Museumssammlung aufbewahrt wird, aber vor über 40 Jahren war das Detailwissen über diese Unterart offenbar noch nicht so weit entwickelt wie jetzt. Wir sind auf diesen einzigen Nachweis in unserem Bundesland nur durch Zufall gestoßen. Es wäre interessant zu erfahren, ob es noch mehr solcher ‚coburni‘-Bälge in deutschen Sammlungen gibt.

In den benachbarten Niederlanden hat Nils van Duivendijk in Museen mehrere Rotdrossel-Bälge der Nominatform entdeckt, die als coburni beschildert waren (persönliche Mitteilung). Erst Ende Oktober 2014 wurde die erste sicher identifizierte Isländische Rotdrossel in den Niederlanden nachgewiesen (Haas et al. 2015).

Jan Ole Kriegs ging kürzlich in der Vogelsammlung des LWL-Museums für Naturkunde in Münster auf die Suche nach möglichen coburni-Kandidaten, konnte aber keine unter den Bälgen finden. So bleibt als Ergebnis, dass die Isländische Rotdrossel (Turdus iliacus coburni) von der Liste der Vögel Nordrhein-Westfalens gestrichen werden muss.

Hoffentlich gelingt bald der erste sauber dokumentierte Nachweis…

Danksagung: Unser großer Dank geht an Darius Stiels für die hervorragenden Fotos des Bonner Balges, an Jochen Dierschke (Vogelwarte Helgoland) und Nils van Duivendijk für ihre klaren und sehr hilfreichen Auskünfte, an Frank Neijts und NvD, dass wir ihre aufschlussreichen Fotos nutzen dürfen, an Nicole Feige für Übersetzungshilfen und an Jan Ole Kriegs für die Suche in Münster.

Literatur

Dierschke, J., V. Dierschke & H. Schmaljohann (2010): Wie häufig sind Isländische Rotdrosseln Turdus iliacus coburni auf Helgoland? Ornithologischer Jahresbericht Helgoland 20: 101-109.

Van Duivendijk, N. (2011): Advanced Bird ID Handbook The Western Palearctic. London.

Garner, M. (2015): Challenge Series Winter. Birding Frontiers.

Haas, M., R. Slaterus & CDNA (2015): Rare birds in the Netherlands. Dutch Birding 37: 361-391.

Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes, Band 2. Düsseldorf.

Wolters, H. E. (1975): Nachweis der Isländischen Rasse der Rotdrossel am Niederrhein. Charadrius 11: 71.

Wolters, H. E. (1979): Nachweise seltener Vogelarten aus dem Rheinland. Charadrius 15: 17-21.

Anschrift der Verfasser:

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

32049 Herford

Peter de Vries

Antoniushof 15

47559 Kranenburg-Niel