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VdM 10/2013

Die Krähenscharbe vom Eyller Berg

von Eckhard Möller

Es war am 1. September 1924. Am Fuß des Eyller Berges bei Lintfort (heute Kamp-Lintfort/Kreis Wesel) fand J. Lodder einen noch lebenden bräunlichen Vogel mit Schwimmhäuten und längerem Hakenschnabel, der dann als „jüngere“ Krähenscharbe (Phalacrocorax aristotelis) bestimmt wurde. Er konnte ihn greifen und nahm ihn offenbar mit nach Hause, wo er wohl kurze Zeit später starb. H. Otto konnte vermitteln, dass der Vogel in das Bonner Museum Koenig gelangte, wo er noch heute aufbewahrt wird (Abb. 1, 2) (Neubaur 1957).

Abb. 1, 2   Die Krähenscharbe vom September 1924, Eyller Berg, Kreis Wesel (Balg im Museum Koenig Bonn). Fotos: Kathrin Schidelko/Darius Stiels

Krähenscharben, Brutvögel europäischer Steilküsten, werden in Deutschland nur auf Helgoland einigermaßen regelmäßig in geringer Zahl beobachtet (Dierschke et al. 2011). Im Binnenland sind sie nur selten nachgewiesen worden. So konnte Ringleben (in Goethe et al. 1978) aus Niedersachsen abseits der Küstenregion weniger als zehn Angaben auflisten. Im küstenfernen Hessen ist bisher nur ein einziger Fund bekanntgeworden: Am 23.1.1997 wurde eine wohl schon drei Wochen tote adulte Krähenscharbe an einer Angelschnur hängend am Rheinufer bei Kilometer 508,8 zwischen Niederwalluf und Eltville (Rheingau-Taunus-Kreis) gefunden (Jan Heckmann brfl.).

Die wenigen weiteren anerkannten Nachweise von Krähenscharben in Nordrhein-Westfalen sind folgende:

21. Juli 1874 bei Schloss Westerholt RE, adultes Männchen, von einem Förster des Grafen Westerholt von einem Baum geschossen (Söding 1953, Peitzmeier 1969).

23. November 1901 Krickenbecker Seen Nettetal VIE, adult, geschossen. Der Balg stand in der Sammlung des Grafen Schaesberg auf Schloss Krickenbeck (le Roi 1906).

3. November 1905 nahe der niederländischen Grenze auf der Rur im Kreis Heinsberg, geschossen (Mildenberger 1982).

November 1948 Rieselfelder Dortmund, 3 Ind.: „Rieselmeister Lochthove berichtete mir… Einen geplanten Abschuß hätte er wegen der Seltenheit der Vögel verhindert. Lochthove gab ausdrücklich an, dass es sich nicht um den Kormoran handeln konnte, da er bei wiederholter Beobachtung im Laufe von 3 Wochen die charakteristische Haube erkannte) (Söding 1953: 225, Peitzmeier 1969).

13. April 1956 Schwafheimer Meer Moers WES, Totfund (Mildenberger 1982).

5. August 1983 Rheinhauser Wardt Duisburg, adult (Herbert Pollmann). Anerkannt von der Seltenheiten-Kommission der GRO.

18./19. Dezember 1994 Lenne-Wehr Lennestadt-Grevenbrück OE, K1 (Thomas Eickhoff, Matthias Klein) (Abb. 3). Anerkannt von der DSK (DSK 1996). Möglicherweise hatte sich der Vogel schon 3-4 Wochen vorher dort aufgehalten (Eickhoff & Klein 1996).

30. November – 10. Dezember 1996 Großer Weserbogen Porta Westfalica-Vennebeck MI, K1 (Abb. 3)(Armin Deutsch, Axel Müller, Eckhard Möller, Jörg Hadasch). Anerkannt von der DSK (DSK 1998).

Abb. 3   Die Krähenscharbe vom Großen Weserbogen Dezember 1996. Foto: Axel Müller

15. November – 5. Dezember 1998 Lennestadt-Grevenbrück OE (an derselben Stelle wie die Scharbe von 1994!), K1 (Abb. 4, 5) (Matthias Klein, Ludger Behle, Heinz Immekus, Mechtild Immekus). Anerkannt von der DSK (DSK 2002).

Abb. 4, 5   Die Krähenscharbe von Grevenbrück November/Dezember 1998. Fotos: Heinz Immekus

24.-27. August 1999 Ölhafen Köln-Godorf, K1 (Michael Kuhn, Daniel Buschmann). Anerkannt von der DSK (DSK 2005).

Darüberhinaus gibt es noch die Mitteilung von Wolff (1925), dass der Förster Riekehof im Januar/Februar 1911 eine Krähenscharbe am Norderteich in Lippe beobachtet habe. Diese Angabe ist aus heute unbekannten Gründen nicht in die „Avifauna von Westfalen“ (Peitzmeier 1969) übernommen worden.

Lang, lang ist es her, dass die bisher letzte Krähenscharbe in Nordrhein-Westfalen gesehen worden ist. Es wird sich lohnen, jeden „Kormoran“ etwas genauer anzuschauen. Vielleicht ist es gar keiner, sondern sein kleiner Verwandter. Vielleicht ist es aber auch ein „Atlantischer“ Kormoran (Phalacrocorax c. carbo), von dem es erst einen einzigen anerkannten Nachweis gibt…

Danksagung: Mein Dank geht an Kathrin Schidelko und Darius Stiels für das Suchen, Finden und Fotografieren der Krähenscharbe im Museum Koenig in Bonn, an Heinz Immekus für die digitalisierten Fotos des Lennestadter Vogels und an Jan Heckmann für die Angabe aus Hessen.

Literatur:

Dierschke, J., V. Dierschke, K. Hüppop, O. Hüppop & K. F. Jachmann (2011): Die Vogelwelt der Insel Helgoland. Helgoland.

DSK (1996): Seltene Vogelarten in Deutschland 1994. Limicola 10: 209-257.

DSK (1998):  Seltene Vogelarten in Deutschland 1996. Limicola 12: 161-227.

DSK (2002): Seltene Vogelarten in Deutschland 1998. Limicola 16: 113-184.

DSK (2005): Seltene Vogelarten in Deutschland 1999. Limicola 19: 1-63.

Eickhoff, T. & M. Klein (1996): Nachweis einer Krähenscharbe (Phalacrocorax aristotelis) im Sauerland. Charadrius 32: 93-95.

Goethe, F., H. Heckenroth & H. Schumann (Hg.) (1978): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen Sonderreihe B Heft 2.1. Hannover.

Mildenberger, H. (1982). Die Vögel des Rheinlandes, Band 1. Düsseldorf.

Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278.

Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Münster.

le Roi, O. (1906): Die Vogelfauna der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 63: 1-325.

Söding, K. (1953): Vogelwelt der Heimat. Recklinghausen.

Wolff, G. (1925): Die lippische Vogelwelt. Schötmar.

Anschrift des Verfassers:

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

32049 Herford