VdM 03/2019
Die Präriemöwe von Bonn
Von Johannes Hungar
Fast jeder Vogelbeobachter hat wohl sowas wie ein Stammgebiet und meines ist die letzten Jahre aus Zeitgründen schlicht der nahe gelegene Rheinabschnitt. Die Suche nach kleinen oder größeren Besonderheiten ist für viele Birder sicher auch eine der höchsten Freuden, und eine Seltenheit in seinem „Homespot“ zu entdecken ist dann wohl das Beste, was passieren kann. Dass dem so kommen sollte, war mir am Morgen des 27. Juli 2018 natürlich noch nicht klar.
Ich hoffte natürlich auf die eine oder andere Überraschung. Mit dem Niedrigwasser des Rheins und dem Beginn der Zugzeit waren die Bedingungen schon mal gut. Ich hatte mir ein paar Stunden familienfrei genommen und das Wetter spielte auch mit. In Bonn ist vieles schon ein Highlight, was in anderen Regionen zum Standard gehört, und quasi jede Limikole ist schon was Besonderes.
Falls sich sonst nichts ergibt, bieten rastende Lachmöwenschwärme zu der Zeit immer die Möglichkeit den einen oder anderen Farbring abzulesen. So fing ich nach einem ersten Überblick über das Gebiet an, mir im Spektiv alle Möwen einzeln anzuschauen. Es war etwa 6:30 Uhr und ich hatte schon eine Schwarzkopfmöwe entdeckt, als mir eine andere Möwe mit dunklerer Oberseite, ungewohnter Flügelzeichung und auffällig weißen Lidern ins Auge fiel. Es gibt diese Momente, wo im ersten Augenblick klar ist, hier geht was… und das war so einer (Abb. 1, 2).
Abb. 1, 2 Die Präriemöwe am Rhein 27. Juli 2018
Fotos: Darius Stiels
Abb. 3-9 Die Präriemöwe am Rhein 27. Juli 2018
Fotos: Ralf Busch
Ohne die dortigen Arten gut im Kopf zu haben, hatte ich direkt das sichere Gefühl einen Gast aus Amerika vor mir zu haben. Ein Bestimmungsbuch hatte ich natürlich nicht dabei und mein gespeichertes Wissen reichte leider zur Identifikation nicht aus, bzw. mir fiel nicht mal der Name für den Vogel ein, der mir doch in meiner Erinnerung aus diversen Büchern sehr vertraut schien.
Also, schnell alle Merkmale einprägen bzw. notieren und ein paar mäßige Handyfotos durchs Spektiv machen. Dann habe ich Darius Stiels (auch aus Bonn) ein Bild per Handy geschickt mit meinem ungenauen Verdacht.
Er war wohl noch nicht aufgestanden, jedenfalls kam keine direkte Antwort. So schaute ich mir den unbekannten Vogel noch eine Weile an und suchte das Gebiet noch etwas weiter ab. Ich fragte meine Freundin, die mit unseren beiden Jungs zu tun hatte, ob sie nicht vielleicht ein oder zwei Bestimmungsbücher zum Rhein bringen könne – und dann kam doch eine Antwort von Darius: „Du hast eine Präriemöwe gefunden!“ Also Volltreffer!
Wie sich dann später herausstellte, die erste für Nordrhein-Westfalen und erst die siebte (?) für Deutschland. Noch dazu im schönen Prachtkleid (zwischenzeitlich stand noch im Raum, sie könnte möglicherweise im 2. Sommer sein) (Abb. 3-9).
Dann trafen meine Freundin mit unserem zweijährigen Sohn (der dritte, der die Möwe sah) und Darius Stiels zusammen mit Kathrin Schidelko kurz hintereinander am Rhein ein. Ich hatte die Präriemöwe zwar zwischenzeitlich verloren, aber zum Glück wieder gefunden. Mit Unterstützung vor Ort gab es an der Bestimmung keinen Zweifel mehr.
Die Möwe verhielt sich weitestgehend ruhig und folgte den anderen Möwen, wenn sie aufflogen, und landete wieder mit ihnen. Die ersten Passanten wurden neugierig was es da zu sehen gibt, und die Nachricht wurde natürlich über die üblichen Kanäle verbreitet. Leider konnte ich nicht mehr lang genug bleiben, um mir mit den nachfolgenden Beobachtern das Spektakel weiter anzuschauen, da meine Freundin zur Arbeit musste und der Elterndienst nun bei mir lag.
Erst am nächsten Tag ergab sich für mich die Gelegenheit mit einem befreundeten Birder aus Holland, der zufällig zu Besuch war, noch einmal vor Ort nachzuschauen, wo wir aber erfuhren, dass die Präriemöwe zuletzt ganz früh morgens gesehen wurde. Matthias Kiencke hatte sie 24 Stunden nach Entdeckung am 28. Juli um 6:30 Uhr noch wegfliegen sehen, und danach ist sie nicht mehr aufgetaucht.
Da ich ein paar Monate später wegziehen sollte, war das wohl der beste Abschluss meiner Birdingzeit in Bonn (der Stadt, wo ich das Vogelbeobachten erlernt hatte), den man sich erhoffen kann.
Die Avifaunistische Kommission der NWO hat die Bonner Präriemöwe als ersten Nachweis in Nordrhein-Westfalen anerkannt und an die zuständige DAK weitergeleitet (www.nwo-avi.com).
Literatur:
Malling Olsen, K. & H. Larsson (2003): Gulls of Europe, Asia and North America. London.
Malling Olsen, K. (2018): Gulls of the World. A Photographic Guide. London/New York.
Anschrift des Verfassers:
Johannes Hungar
Maxstr. 45
53111 Bonn.