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VdM 09/2011

Sie kam fast wie auf Bestellung: Die erste Zwergdommel- Brut für die Rieselfelder Münster

Von Holger Lauruschkus

Es hatte sich seit einigen Jahren schon angedeutet:  So beobachtete J. O. Kriegs am 28. 8. 2008 eine erste Zwergdommel Ixobrychus minutus kurz im Vorbeiflug an den 33er-Flächen. Das war die erste Sichtung einer Zwergdommel nach vielen Jahren Abwesenheit! Im Jahr 2009 konnten plötzlich eine ganze Reihe von Beobachtungen in den Rieselfeldern gemacht werden, fast ein kleiner Einflug: Am 23. 5. gelang W. Waanders der erste Nachweis einer männlichen Dommel durch Rufkontakt an Fläche 31/B, weitere zwei Männchen wurden tags darauf im 21er-Bereich nahe der Coermühle vernommen. Was jetzt erfolgte, war ein besonderes ornithologisches Spektakel, denn alle drei männlichen Zwergdommeln konzentrierten sich nun zeitweise auf den 21er- Komplex, wo sie Rufreviere bildeten, aus denen sie ausdauernd, teilweise über Stunden, tagsüber ihre rhythmischen, dumpfen, an entferntes Hundegebell erinnernde Balzrufe erschallen ließen (Zwergdommelrufe, Rieselfelder Münster, 25.5.2009 (c) J.O. Kriegs). Dabei waren sie oft sehr schön frei im Schilf zu beobachten oder aber sie flogen weite Runden über die Schilfkomplexe, manchmal auch in spektakulären Verfolgungsjagden. Eine der drei Dommeln verschwand schließlich; zwei Vögel verblieben über einen längeren Zeitraum. Viele Besucher reisten von nah und fern an, um diesem Schauspiel beizuwohnen, für die Fotografen boten sich von der Beobachtungshütte an 21/5 oder vom Wöstebach aus teils sehr schöne Fotomotive. Über zwei Monate, bis zum 31. 7. 2009, blieben die beiden Zwergdommeln im 21er-Komplex, bis zu ihrem letzten Tag verzweifelt rufend, denn offensichtlich konnte in dem ganzen Zeitraum kein Weibchen angelockt werden! Ein Brutnachweis für 2009 musste daher leider ausbleiben.

Zwergdommel, Männchen, Rieselfelder Münster, 17.6.2009 (c) Ralf Schmitz

Im Jahr 2010 herrschte Funkstille. Es wurden im ganzen Jahr keine Zwergdommeln gesehen. Oder wurden sie etwa übersehen?

Am 15.7.2011 wurde erneut eine männliche Zwergdommel im 21er-Komplex direkt vor der Hütte an 21/5 von K. & H. Falkenhahn-Ruch beobachtet und auch fotografiert! Dieser Beobachtung eines Dommelmännchens folgten nun täglich weitere, entweder hier oder auf der benachbarten Fläche 21/D. Wie sich die Bilder gleichen: Auch 2009 zeigte sich eine der beiden Zwergdommeln regelmäßig auf 21/D bzw. 21/5 !

Zwergdommel, Männchen, Rieselfelder Münster, 15.7.2011 (c) Falkenhahn-Ruch

Bis zum 25.7.2011 konnte das Männchen hier von den zahlreichen Beobachtern festgestellt werden.

Am 26.  Juli 2011 kam dann die Überraschung: Mittags gegen 13 Uhr standen E. Taute und H. Lauruschkus im leichten Regen auf der Straße Wöstebach vor der Fläche 21/D und verfolgten ein vorbeifliegendes Zwergdommelmänchen im Fernglas, als beim Blick zurück hoch oben im nassen Schilf unvermittelt ein dommelgroßer, gänzlich brauner Vogel zu sehen war, dem unmittelbar zwei weitere, genauso große und gefärbte Vögel hinterher kletterten. Alle drei präsentierten sich schließlich frei, eng zusammengekauert sitzend und ziemlich “bedröppelt“ wirkend auf einem Schilfhalm. Im Spektiv war sofort erkennbar, dass es sich um junge Zwergdommeln handelte! Alle zeigten das typisch braune, gestreifte Jugendkleid, noch mit weißem “Kinderflaum“ auf dem Kopf. Da war er nun endlich, der erste Brutnachweis der Zwergdommel für die Rieselfelder und die Stadt Münster! Wir wollten es kaum glauben.

Junge Zwergdommeln in den Rieselfeldern Münster, August 2011 (c) Falkenhahn-Ruch

Junge Zwergdommeln in den Rieselfeldern Münster, August 2011 (c) Falkenhahn-Ruch

Junge Zwergdommeln in den Rieselfeldern Münster, August 2011 (c) Falkenhahn-Ruch

Junge Zwergdommeln in den Rieselfeldern Münster, August 2011 (c) Eckhard Möller

Etwas später tauchten die Jungdommeln eine nach der anderen wieder ins Schilf ab. Kurz darauf flatterte eine der kleinen Dommeln noch etwas ungeschickt an der Schilfkante entlang (offensichtlich schon flugfähig). Am Abend präsentierte sich das Männchen frei sitzend auf der Spitze eines Schilfhalmes.

Bemerkenswert bei diesem Brutnachweis der Zwergdommel in den Rieselfeldern 2011 ist die Tatsache, dass eigentlich nichts auf eine tatsächliche Brut hingedeutet hat. Die Dommeln waren offensichtlich dermaßen heimlich, dass die erste Sichtung erst am 15. 7. 2011 gelang. Im Frühling und Frühsommer hindurch wurden – trotz hoher Beobachtungsintensität – weder Dommeln gesehen noch die charakteristischen dumpfen Balzrufe bzw. die keckernden Kontaktlaute vernommen. Vielleicht sind die Elterntiere gleichzeitig oder ziemlich zeitnah im potentiellen Brutgebiet eingetroffen und konnten sofort mit der Brutgeschäft beginnen, so dass das Männchen kaum Zeit in intensive Balzrufreihen investieren musste, um eine Partnerin anzulocken.

Nach dem 26. Juli erfreute die Zwergdommelfamilie die zahlreichen Besucher bei ihren akrobatischen Klettertouren durch das Schilf oder bei den Flugeinlagen über die Schilfkomplexe hinweg. Zeitweise herrschte vor 21/D fast ein Besucherandrang wie bei den beiden Kleinen Sumpfhühnern im September 2008 oder den Zwergdommeln Mai/Juli 2009.

Interessant ist die Feststellung, dass diese besonderen Beobachtungen, die Sumpfhühner 2008 wie die Zwergdommeln 2009 und 2011 alle in diesem Bereich, dem Komplex 21/D, bzw. 21/5 gelangen. Das spricht für das ornithologisch “ besondere Potential “ dieser Flächen für echte Schilfarten und muss in der Struktur dieser Ecke liegen.

Anfang August wurden sogar vier Jungvögel hier beobachtet und mehr als einmal mindest 2 Männchen gleichzeitig! Das lässt Raum für Spekulationen, dass möglicherweise sogar zwei Paare Zwergdommeln in den Rieselfeldern gebrütet haben könnten, was höchst bemerkenswerte wäre.

Mitte August scheinen die Zwergdommeln aus dem Gebiet abgezogen zu sein; die letzte Sichtung eines Männchens gelang am 13.8.2011 auf 21/D.

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Zwergdommeln nächstes Jahr wiederkommen oder ob das diesjährige Brutvorkommen ein einmaliges Ereignis war.

Die diesjährige Zwergdommelbrut in Münster passt recht ins Bild der etwas gehäuften Nachweisen der Zwergdommel in Deutschland in diesem Jahr. Es hat im sonnigen, trockenen Frühjahr offensichtlich einen kleinen Einflug von Zwergdommeln aus dem Süden nach Norddeutschland gegeben. So berichtet A. Torkler von “mehreren Nachweisen, bis an die zehn, darunter einige erfolgreiche Bruten in Niedersachsen im Raum Hannover, Celle, bis ins Wendland“ (A. Torkler, noch unveröffentlicht, pers. Mitt.), darunter auch einer Brut mit mind. 1 juv. von den Wildecker Teichen bei Celle, NDS, vom 2. 8. 11 (A. Torkler, OrniHannover).

Für Münster stellt die Zwergdommel eine absolute Rarität dar. Bis zum ersten Brutnachweis 2011 sind ca. 8 Nachweise für Münster bekannt, die fast alle (mit Ausnahme der Nachweise 2008 und 2009) recht lange zurückliegen. Es gab nur einmal einen Brutverdacht für die Rieselfelder aus dem Jahr 1973 (OAG Münster, in Peitzmeier 1979)

Interessant ist ein Nachweis eines Einzelvogels aus dem Botanischen Garten in Münster von H. Bornmann aus dem Mai 1993. Der Vogel hielt sich mehrere Tage an einem kleinen Teich auf.

E. Elbert beobachtete im Mai 1988 ein Exemplar über 2 Wochen lang an einem Gewässer bei Haus Große Getter westlich Hiltrup (NABU Münster 1993).

Die letzte, wahrscheinliche Brut für Westfalen stammt von den Rietberger Fischteichen (Kreis Gütersloh) aus dem Jahr 1971: Mind. drei Männchen und drei Weibchen wurden vom 29.5. – 18.7.1971 hier festgestellt (Peitzmeier 1979).

Wie selten Zwergdommel-Brutnachweise bzw. – Brutverdachte für Westfalen im letzten Jahrhundert erbracht wurden, zeigt diese Übersicht (Avifauna von Westfalen 1979; Archiv AviKom NRW):

–       Brutverdacht Heiliges Meer 1934 (Friedrich Goethe)

–       Brutverdacht Juli 1948 Norderteich LIP (F. Goethe)

–       Brutverdacht Hannesee im Bereich TÜP Senne 1957 (Weimann)

–       Brutverdacht Rieselfelder Münster 1973 (OAG Münster)

–       Brutvogel Radbodsee Hamm von 1952 – 1958 jedes Jahr ein BP (W. Stichmann)

–       Brutvogel Ladberger Lehmkuhle 1959: 1 BP + 4 juv (Deerberg, Natur und Heimat, 19/1959)

–       Brutvogel (wahrscheinlich) Rietberger Fischteiche  GT 1971.

Für den Landesteil Rheinland sieht es etwas besser aus. Der letzte Brutnachweis datiert aus dem Juni/Juli 2004 vom Hürther Waldsee BM: Ad. + juv. (Michael Kuhn et al.).

Die letzten Brutnachweise aus dem Rheinland (Archiv Avikom NRW; Mildenberger 1982 ; Wink et al. 2005):

–       1967 – 68 Brutvogel “ Ententeich Braunkohlerevier“: ad + juv.

–       1971 zwei Brutpaare Kaplans- Kuhle Rheurdt/Bink Hoerstgen (damals Kreis Moers): ad + juv.

–       1971 eine Brut Stappteiche Dinslaken: ad + juv.

–       29.7.2002 Brut Hürther Waldsee BM: ad + juv. (Michael Kuhn)

–       Juni/Juli 2004 Brut Hürther Waldsee BM (M. Kuhn)

Mittlerweile wird die Zwergdommel auf der Roten Liste NRW in Kategorie 1 geführt – vom Aussterben bedroht.

Umso bedeutsamer ist daher in dieser für die Zwergdommel in NRW so angespannten und bedrohlichen Situation der jetzt nach sieben Jahren Pause erbrachte erfolgreiche Brutnachweis von vielleicht zwei Paaren in den Rieselfeldern Münster. Dieses erfreuliche Ereignis gibt Anlass zur Hoffnung auf weitere, bisher noch nicht entdeckte Brutvorkommen in Westfalen und dem Rheinland, so dass der kleinste Reiher Europas dem Land NRW womöglich erhalten bleiben könnte und man weiterhin mit Glück das leise “Hundegebell“ aus dem Schilfröhricht einiger Teichgebiete zwischen Schwalm und Weser vernehmen und vielleicht sogar den geheimnisvollen Vogel auch mal sehen wird.

Danksagung:

Ich bin Eckhard Möller von der AviKom NRW für die Zusammenstellung der Zwergdommeldaten für NRW aus dem Archiv der AviKom zu Dank verpflichtet, ferner Karla und Helmut Falkenhahn-Ruch und E. Möller für die Bereitstellung ihrer Zwergdommelfotos aus den Rieselfeldern.

Literatur:

– Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen (mit Erweiterungsteil 1979). Münster.

– Mildenberger, H. (1982):  Die Vögel des Rheinlands. Düsseldorf.

– NABU Münster (1993): Vogelleben zwischen Ems und Emmerbach. Münster.

– Bauer. H.-G., E. Bezzel, W. Fiedler (2005):  Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Nonpasseriformes. Wiebelsheim.

– Wink, M.  et. al. (2005):  Die Vögel des Rheinlands, Atlas zur Verbreitung der Brut- und Wintervögel, 1990-2000. Dossenheim/Neunkirchen.

– L. Gaedicke, H. Lauruschkus, J. Wahl, Ornithologischer Jahresbericht für Münster, 2008 und 2009, www.msorni.de

– Archiv MS0rni, 2008- 2009, www.msorni.de

Anschrift des Verfassers:

Holger Lauruschkus

Grevener Straße 351

48159 Münster