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VdM 02/2014

Die Kiefernkreuzschnäbel der Üfter Mark

Von Jan Hein van Steenis

Als es im letzten Herbst immer klarer wurde, dass eine große Invasion von Kiefernkreuzschnäbeln  unterwegs war, wußte ich, dass dies eine gute Chance wäre, auch selber welche zu finden. Ich wußte aber auch, dass meine übliche Tätigkeit im Wochenende – nämlich Zugbeobachtungen im Hervester Bruch bei Dorsten – dazu nicht geeignet wäre.

Obwohl ich dieses Jahr zwar größere Mengen Fichtenkreuzschnäbel als in den vorigen zwei Jahren gesehen hatte, waren die Zahlen immer noch niedrig verglichen mit anderen Stellen, wie ich auf der niederländischen Website trektellen.nl sehen konnte. Auch wären die Chancen auf eine “akzeptable” Beobachtung bei ziehenden Vögeln eher gering! In den Niederlanden waren jetzt schon Kiefernkreuzschnäbel erschienen in einem Gebiet, das ich vor einigen Jahren selber immer wieder besucht hatte…

Deswegen versuchte ich im Oktober und November 2013 so oft wie möglich die größeren Waldstücke nördlich von Dorsten (Kreis Recklinghausen) zu besuchen: Die unterschiedlichen Teile der Forstgewerkschaft Augustus und Den Hagen bei Lembeck. So lange die erhofften  Kiefernkreuzschnäbel nicht aus dem Nordosten kämen und schon bei Haltern steckenbleiben würden!

Am 23. November 2013 war das Wetter grau und unangenehm. Erst nach dem Mittag hatte ich Lust auf die Suche zu gehen. Nach einer Wanderung durch die Bakeler Mark ohne Vögel überquerte ich die Borkener Straße und nahm die Forsthausweg (Üfter Mark). Fast sofort hörte ich den Ruf, den ich schon versucht hatte zu lernen: Ein klares küüp ohne Spur von “r” oder “l”. Das mußten ja Kiefernkreuzschnäbel sein! Ich fand eine Gruppe Kreuzschnäbel, die in einem Garten in einer Magnolie Futter suchten Aber wie enttäuschend – die Schnäbel sahen nicht besonders auffällig aus. Dann flog die Gruppe weg, und ich bemerkte ich erst jetzt, wie viele Vögel ich nicht gesehen hatte. Die Rufe waren noch immer interessant…

Etwa eine Viertelstunde später landeten einige “interessant rufende” Kreuzschnäbel einige hundert Meter nach Westen in einen toten Baum. Ich fotografierte diese sofort: Besser zu Hause nachschauen als hier zu langsam sein! Tatsächlich zeigten die Fotos zwei Kiefernkreuzschnäbel (Loxia pytyopsittacus)!

Kiefernkreuzschnäbel, Üfter Mark WES  November 2013. Fotos: Jan Hein van Steenis

Kiefernkreuzschnäbel, Üfter Mark WES  Dezember 2013. Fotos: Martin Wantoch

Kiefernkreuzschnäbel, Üfter Mark WES  Dezember 2013. Fotos: Alfred Beckmann

Kiefernkreuzschabel-Alarmruf . Aufnahme: Jan Hein van Steenis, Üfter Mark WES November 2013

Die Vögel verschwanden fast sofort wieder, aber tiefes Rufen aus einer Kiefer führte mich zu einem Männchen, das wirklich klassisch aussah. Ich kannte diesen Ruf (den Alarmruf) zwar nicht, aber der dicke Schnabel und der “Bullennacken” sollten eigentlich reichen… Nach einigen Fotos flog auch dieser Vogel weg. Die Fotos waren jedenfalls gut genug, um auch andere zu überzeugen, dass es sich hier um Kiefernkreuzschnäbel handelte.

In den nächsten Wochen wurden von manchen Beobachtern aus der Üfter Mark bis zu 26 Kiefernkreuzschnäbel gemeldet. Zu mir waren sie nicht so nett: Es blieben immer nur einzelne Vögel, die sich zeigten. Jedenfalls waren sie am 18. Januar noch anwesend: Vielleicht bekomme ich ja noch eine Chance! Ich möchte noch immer den Flugruf genau dokumentieren…

In Nordrhein-Westfalen sind Kiefernkreuzschnäbel sehr seltene Vögel, die oft jahrzehntelang offenbar gar nicht beobachtet werden. Als älteste Angabe gilt die Nachricht von Altum (1880), dass im Winter 1873/1874 sie in der Münsterschen Bucht “überall” gewesen seien.

Dann dauerte es nach Peitzmeier (1969) rund 90 Jahre, bis während einer Invasion von Fichtenkreuzschnäbeln am 29. September 1962 W. Fröhling mindestens einen Kiefernkreuzschnabel überfliegend bei Fröndenberg (Kreis Unna) entdeckte, der ihm durch seine Rufe auffiel. Wenig später, am 18. Oktober 1962, sah und hörte er einen auf dem Südfriedhof Unna (Fröhling, Mester & Prünte 1966). Beide Vögel wurden von Fröhling nur nach ihren Flugrufen identifiziert und nur im Überflug gesehen. Ein Stück Ungewissheit bleibt…

Am 1. Dezember 1963 wurden in der Hildener Heide (Kreis Mettmann) zwei Weibchen gefangen (Mildenberger 1984).

Am 1. März 1964 wurden 6 Individuen bei Stollberg-Mausbach (Kreis Aachen) gesehen. (Stickel 1965), fast drei Wochen später am 19. März 1964 dann drei unter Fichtenkreuzschnäbeln an der Neyetalsperre (Oberbergischer Kreis) (Mildenberger 1984).

Vielleicht war es auch in der Üfter Mark, als am 14. September 1966 im “Weseler Wald bei Schermbeck” 8 Kiefernkreuzschnäbel entdeckt wurden, davon wurde einer geschossen (!). Der Balg blieb in Privatbesitz (Mildenberger 1984).

24 Jahre später konnte K. Ter Veer bei Blankenheim-Ahrdorf (Kreis Euskirchen) am 5. August 1990 ein adultes Männchen und ein Weibchen beobachten – anerkannt von der DSK (DSK 1992).

Der bis vor kurzem letzte Nachweis von Kiefernkreuzschnäbeln in Nordrhein-Westfalen waren ein Männchen vom 9. bis 16. März und außerdem ein Weibchen am 16. März 1991 direkt auf der holländischen Grenze zwischen Elfenmeer und Boschbeektal bei Niederkrüchten (Kreis Viersen). Die Beobachtungen dort wurden im Rahmen einer großen Invasion in unser Nachbarland, bei der zwischem dem 15. Oktober 1990 und dem 30. März 1991 mindestens 328 Kiefernkreuzschnäbel gemeldet wurden, von der niederländischen Seltenheitenkommission anerkannt (Hubatsch 1996, www.dutchavifauna.nl).

Danach mussten die NRW-Birder mehr als 22 Jahre warten, bis wieder in der Üfter Mark im Kreis Wesel diese merkwürdigen Rufe zu hören waren…

Danksagung: Mein Dank geht an Martin Wantoch und Alfred Beckmann für ihre erstklassigen Fotos.

Literatur

Altum, B. (1880): Forstzoologie. II. Vögel. Berlin.

Deutsche Seltenheitenkommission (1992): Seltene Vogelarten in der Bundesrepublik Deutschland 1990. Limicola 6: 153-177.

Fröhling, W., H. Mester & W. Prünte (1966): Die Kreuzschnabel-Invasion 1962 in Westfalen. Anthus 3: 1-12.

Hubatsch, K. (1996): Die Vögel des Kreises Viersen. Bergheim.

Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes, Band 2. Düsseldorf.

Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Münster.

Stickel, W. (1965): Bericht über den Frühjahrsdurchzug 1964. Charadrius 1: 33-51.

www.dutchavifauna.nl

Anschrift des Verfassers:

Jan Hein van Steenis

Mittelstr. 47

46284 Dorsten