VdM 09/2009
September 2009
Der Bartlaubsänger von Angermund
Von Peter Kamperdick
Der 3. Oktober 2008 war ein zwar kühler, aber sonniger Tag. Er lockte mich, zu einer Stelle in der Nähe meiner Wohnung nach Düsseldorf-Angermund zu fahren, wo ich mich öfters aufhalte. Vom Forstweg führt dort eine zum Zweck der Bachunterhaltung angelegte Sackgasse zum Dinkelsbach, wo man sich abseits vom Spaziergänger-Strom meist ungestört aufhalten und beobachten kann. Dieser Bach führt hier durch einen Waldstreifen, der sich mit ein paar Unterbrechungen von Duisburg bis Düsseldorf am rechten Rand des Rheintals entlangzieht.
Es gibt dort immer ein paar Blüten, auf denen Fliegen oder andere Blütenbesucher zu finden sind, oder es sitzt schon mal was auf den Brennesselblättern im Waldesschatten. Solche Insekten waren mein Ziel.
Nicht allzu lange vorher hatte ich mir ein neues Objektiv (70-300 mm, Digital) für meine Kamera Nikon D80 gekauft, mit dem es auch möglich würde, Vögel oder Säuger zu fotografieren. Normalerweise suche ich nach Fliegen, aber an besagter Stelle hatte ich schon mal eine schwimmende Bisamratte fotografiert und hoffte, auch mal eine sitzende zu erwischen. Deshalb hatte ich meine Kamera mit dem Teleobjektiv griffbereit in der Fahrradtasche liegen.
Bisamratten waren nicht zu sehen, aber in dem Bestand von Riesenknöterich dort (mit ziemlicher Sicherheit durch Erdaushub der Wasserbauer eingeschleppt) hörte ich einen Vogel piepen. Ich bin kein Ornithologe, aber die Lautäußerungen der niederrheinischen Vögel kann ich normalerweise zuordnen. Meiner Erinnerung nach handelte es sich um einen Doppelton, der in größeren Abständen wiederholt wurde und allenfalls Ähnlichkeit mit manchen Drosselrufen hatte.
Der Verursacher dieser Laute war ohne große Schwierigkeit in etwa 2 m Höhe im Riesenknöterich zu finden – ich schätzte seine Größe ungefähr auf die einer Heckenbraunelle. Und da ich die Kamera sowieso dabei hatte, holte ich sie aus der Tasche und machte ein paar Aufnahmen. An dem Vogel, den ich nicht kannte, fielen mir der deutliche Überaugenstreif und die bräunliche Grundfarbe auf.
In den gut 20 Minuten, in denen ich auf die Möglichkeit von guten Fotos gewartet habe, hielt sich der Vogel meist in 1,5 bis 2,5 m Höhe im Knöterich und angrenzenden Gebüsch auf, huschte hin und her, suchte nach Insekten und gab gelegentlich sein Ton-Paar von sich, das die Ortung ermöglichte. Irgendwann war dann aber nichts mehr zu hören oder zu sehen.
Mehr ist von dieser Sichtung nicht zu berichten. Ich hatte jetzt ein paar Fotos, konnte aber mit dem Vogel immer noch nichts anfangen. Eine erste Suche in Pareys Vogelbuch ließ mich schon bei den Laubsängern ankommen. „Statistische“ Überlegungen sagten mir, dass ich einen Zilpzalp gesehen haben musste, aber dafür wirkte der Vogel doch zu groß, und die Stimme passte ganz eindeutig nicht.
Das Rätsel musste gelöst werden. Gelegentlich stelle ich Fotos unbekannter Insekten im Forum www.insektenfotos.de ein, wo es auch ein Unterforum für ‚andere’ Tiere gibt. Ich hatte bereits festgestellt, dass dort auch Ornithologen vorbeischauen, und habe deshalb die besten Bilder des Angermunder Vogels dort eingestellt. Und dort wären sie wohl als „vielleicht Fitis?“ dem Vergessen anheimgefallen, wenn Reinhard Gerken aus Celle nicht dort vorbeigeschaut und den kleinen braunen Vogel als Bartlaubsänger (Phylloscopus schwarzi) erkannt hätte. Die Nachricht machte dann sehr schnell in der Birder-Szene die Runde und sorgte dort für viel Aufregung…
Der Bartlaubsänger vom Düsseldorfer Dinkelsbach ist der erste Nachweis dieser südsibirischen Art in Nordrhein-Westfalen. Die Avifaunistische Kommission der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft hat der Deutschen Seltenheitenkommission (DSK), die dafür zuständig ist, die Anerkennung empfohlen.
Anschrift des Verfassers:
Peter Kamperdick
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