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VdM 05/2017

Die Zwergadler von Nordrhein-Westfalen

Von Eckhard Möller

Es war am 29. Mai 1977, als an einer Müllkippe bei Anröchte-Klieve (Kreis Soest) vier Greifvögel nach Nahrung suchten. Drei davon waren ganz klar Rotmilane; der vierte war recht dunkel, etwa bussardgroß, und er hatte einen relativ langen rötlichbraunen Schwanz. Auf der Oberseite der Flügel zeigte er eine diagonale Aufhellung, die inneren Handschwingen waren leicht transparent. Auf den Fotos sah man später deutlich sechs Handschwingen, wodurch die waagrecht gehaltenen Flügel gefingert aussahen (Vierhaus 1981).

Es war der erste Zwergadler (Aquila pennata) für Nordrhein-Westfalen, den Henning Vierhaus dort entdeckt hatte und den dann noch weitere Beobachter aus der Region beobachten konnten, und zwar einer der sogenannten dunklen Morphe.

Es dauerte immerhin 15 Jahre, bis der zweite Zwergadler in unserem Bundesland gesehen wurde: Am 12. Mai 1992 in den Ahsewiesen zwischen Nateln und Berwicke (Kreis Soest), allerdings einer der hellen Morphe (Wolfgang Pott).

Die weiteren anerkannten Nachweise:

31. Juli – 5. September 1995 Rekultivierungsgebiet Aldenhoven bei Eschweiler (Städteregion Aachen), adult, helle Morphe, Video, Fotos (Romulo Aramayo-Schenk, Volker Lipka, Gaby Wilms, Peter Dahmen, Karl Gluth, Joachim Krantz, Michael Kuhn, Wolfgang Stickel) (Abb. 1-3).

Abb. 1-3 Der Zwergadler von Aldenhoven, 19. August 1995. Fotos: Heribert Schwarthoff

18. Juli 1997 Ruhrstausee Kemnade (Ennepe-Ruhr-Kreis/Bochum), helle Morphe, mind. K2 (Axel Müller, Jörg Kretzschmar, Thomas Stanco).

17. Juli 1999 Soest, helle Morphe (Axel Müller).

8. September 2001 Hagen-Brechtefeld, helle Morphe, nach WSW durchziehend (Christoph Schönberger).

29. April 2007 Euskirchen-Dom-Esch (Kreis Euskirchen), adult, helle Morphe (Asmus Schröter).

20. Mai 2007 Rieselfelder Münster, helle Morphe, Fotos (Jan Heckmann, Hendrik Weindorf, Holger Lauruschkus, Rolf Steinbrink, Markus Althaus) (Abb. 4).

Abb. 4 Der Zwergadler über den Rieselfeldern Münster, 20. Mai 2007. Fotos: Hendrik Weindorf

21. Juni 2008 NSG Versunken Bokelt (Kreis Borken), helle Morphe, Fotos (Jörg Kremer, Werner Bösing, Gerhard Tripp).

9. September 2009 Wegberg-Klinkum (Kreis Heinsberg), helle Morphe (Martin Temme).

2.6.2011 Rieselfelder Münster, helle Morphe (Michael Pieper).

Mit nur 11 anerkannten Nachweisen zählen die doch recht großen Zwergadler ganz offensichtlich zu den in Nordrhein-Westfalen sehr seltenen Vogelarten. Erstaunlich ist, dass es erst seit 1977 Beobachtungen gibt und dass in mindestens 150 Jahren vorher voll gnadenloser Greifvogelverfolgung und trotz Schießer-Ornithologen kein einziger Zwergadler in NRW getötet worden ist.

Die Situation im benachbarten Rheinland-Pfalz ist offenbar sehr ähnlich: Der erste Zwergadler wurde hier am 28. Mai 1970 nachgewiesen, danach folgten drei weitere in 2000, 2005 und 2013; erstaunlicherweise waren drei der vier Vögel Individuen der dunklen Morphe (Dietzen in Dietzen et al. 2016).

In den Niederlanden im Westen wurde der erste Zwergadler noch deutlich später beobachtet, nämlich am 30. Mai 1992. Danach folgten bis heute 25 weitere zwischen dem 24. April und dem 14. Oktober (www.dutchavifauna.nl).

Auffällig an den NRW-Nachweisen ist, dass nur ein einziger der elf ein Individuum der dunklen Morphe war. Das kann natürlich nicht die tatsächlichen Verhältnisse der beiden bei Zwergadlern auftretenden Gefiederfärbungen in unserem Bundesland widerspiegeln. Im nahen Frankreich zum Beispiel bilden Vögel der dunklen Morphe im Südwesten rund 30 Prozent der Population, im Nordosten sogar etwa die Hälfte (Dietzen in Dietzen et al. 2016). Im gesamten Westeuropa sollen es rund 20 Prozent Dunkle sein, im Osten dagegen rund 40 Prozent (DSK 2010). Zu erwarten ist danach auch in Nordrhein-Westfalen ein deutlicher höherer Anteil von Vögeln der dunklen Morphe.

Der Grund für die äußerst geringe Zahl anerkannter dunkler Zwergadler dürften Bestimmungsschwierigkeiten und eine offenbar rigide Beurteilungspraxis der nationalen Seltenheitenkommissionen sein. Die Deutsche Avifaunistische Kommission (DAK 2012, 2013, 2014, 2015) etwa hat deutschlandweit in ihren bisher vorliegenden vier Jahresberichten 12 helle und nur 4 dunkle Zwergadler anerkannt. Abgelehnt wurden dagegen nur 2 helle und 9 dunkle Zwergadler (vier Daten ohne Angabe einer Morphe).

Zwergadler der dunklen Morphe haben offenbar nur dann eine Chance auf Anerkennung, wenn aussagekäftige Fotos vorgelegt werden können oder wenn eine Beschreibung detailliert und umfassend ist und die wichtigen Unterscheidungsmerkmale zu anderen Greifvogelarten bringt. Die beiden Arten, mit denen dunkle Zwergadler bei uns am ehesten verwechselt werden könnten, sind Schwarzmilane und dunkle Rohrweihen (Forsman 2016).

Es muss auch in Nordrhein-Westfalen ab und an dunkle Zwergadler geben! Es war im Zeitalter digitaler Techniken noch nie so einfach sie zu fotografieren – egal wie schlecht die Bilder sind. Am Rechner lassen sich daraus viele wichtige Details entnehmen.

Literatur:

Deutsche Avifaunistische Kommission (2012): Seltene Vogelarten in Deutschland 2010. Seltene Vögel in Deutschland 2010: 10-49.

Deutsche Avifaunistische Kommission (2013): Seltene Vogelarten in Deutschland 2011/12. Seltene Vögel in Deutschland 2011/12: 2-47.

Deutsche Avifaunistische Kommission (2014): Seltene Vogelarten in Deutschland 2013. Seltene Vögel in Deutschland 2013: 2-39.

Deutsche Avifaunistische Kommission (2015): Seltene Vogelarten in Deutschland 2014. Seltene Vögel in Deutschland 2014: 2-36.

Deutsche Seltenheitenkommission (2010): Seltene Vogelarten in Deutschland 2009 (mit Nachträgen 2001-2008). Limicola 24: 233-286.

Dietzen, C. et al. (2016): Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz. Band 3: Greifvögel bis Spechtvögel. Landau.

Forsman, D. (2016): Flight identification of Raptors of Europe, North Africa and the Middle East. London.

Gries, B., H. Hötker, G. Knoblauch, J. Peitzmeier, H.-O. Rehage & C. Sudfeldt (1979): Anhang zu Avifauna von Westfalen. Abhandlungen aus dem Landesmuseum für Naturkunde zu Münster Westfalen 41, Heft 3/4: 479-576.

Vierhaus, H. (1981): Ein Zwergadler (Hieraaetus pennatus) in Westfalen. Charadrius 17: 38-39.

Anschrift des Verfassers:

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

32049 Herford