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VdM 12/2019

Die Zwergscharbe vom Padersee

Von Manfred Kolleck

 

Vor einigen Wochen blätterte ich in meinen älteren Aufzeichnungen und stieß dabei zufällig auf die Notizen vom 24. Mai 2003 – mit Fotos eines sehr interessanten Vogels.

An diesem Tag umrundete ich den Padersee in Schloss Neuhaus bei Paderborn und konnte als Besonderheiten unter anderem eine Gebirgsstelze und zwei am Ufer der Pader unterhalb des Aufstaus badende Nachtigallen beobachten.

Zwischen Seecafé und Staustufe fiel mir am Ufer ein „Kormoran“ auf, der bei genauerem Hinsehen zu klein erschien. Krähenscharbe? Hat keinen braunen Kopf! Schließlich gab mein „Parey“-Vogelbuch Auskunft: Offenbar eindeutig eine Zwergscharbe (Phalacrocorax pygmaeus), die in unserer Gegend eigentlich nichts zu suchen hat! Immerhin war der Vogel so freundlich, länger als eine halbe Stunde auf seinem Zweig zu verharren und sich ausgiebig ablichten zu lassen, bevor er über den See abstrich (Abb. 1-4)! Als Fotoausrüstung stand mir damals, in den Anfängen der Digitalfotografie, eine „Olympus E 100 RS“ mit lediglich 1,4 MP zur Verfügung.

 

 

 

 

Abb. 1-3 Die Zwergscharbe vom Paderborner Padersee 24. Mai 2003.

Fotos: Manfred Kolleck

Das „Handbuch der Vögel Mitteleuropas“ (1987) listete damals für Deutschland seit 1856 nur etwa 16 Nachweise auf, speziell im Ismaninger Teichgebiet in Bayern. … Da war mir doch eine schöne Beobachtung gelungen, die ich sogleich dem Kollegen Andreas Bader übermittelte.

Weil mir zu der Zeit noch keine Webseite wie „Sturmmöwe.de“ o. ä. bekannt war, geriet die Scharbe bald in Vergessenheit. Zwar bin ich seit 1974 Mitglied im DBV/NABU, doch war ich aus verschiedenen Gründen in der Orni-Szene nicht sehr aktiv. Dadurch unterblieb eine Veröffentlichung der Sichtung, bis mir der Zufall diese Wiederentdeckung bescherte.

Anlässlich der 64. Tagung der ostwestfälischen Ornithologen in Bielefeld am 9. November 2019 ergab sich dann die Gelegenheit, Eckhard Möller auf diese alte Beobachtung hin anzusprechen – er war gleich sehr interessiert: „Wäre wohl die Erstbeobachtung für NRW …“! Noch am selben Abend hatte er einige Bilder der Scharbe in der E-Post, und so ist frischer Schwung in eine ältere Sache gekommen!

Die Avifaunistische Kommission der NWO hat die Zwergscharbe vom Padersee als ersten Nachweis für Nordrhein-Westfalen anerkannt (www.nwo-avi.com).

Die Deutsche Avifaunistische Kommission führt in ihrem Bericht über das Jahr 2017 (DAK 2019) für Deutschland 27 Nachweise von Zwergscharben seit 1977 bis 2009, 26 Nachweise von 2010 bis 2016 und fünf aus 2017 auf.

Im Belgien gibt es bisher erst sechs anerkannte Nachweise (www.facebook.com/birdingbelgium/ am 19.11.2019). In den Niederlanden waren es bisher sieben, nämlich 1999 (2), 2000, 2003, 2010, 2013 und 2019 (www.dutchavifauna.nl).

Im benachbarten Bundesland Rheinland-Pfalz sind bisher fünf Zwergscharben anerkannt worden, nämlich zwei von November 2000 bis Ende März 2001 am Laacher See (Landkreis Ahrweiler), je eine in 2001 und 2002, eine in 2009 und eine in 2012. Dietzen (in Dietzen 2015) weist auf eine generelle Zunahme der südosteuropäischen Brutbestände hin, besonders in Ungarn, und in Folge davon eine Zunahme der Beobachtungen in Mitteleuropa zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Insgesamt freut es mich sehr, unverhofft mit einer so alten Geschichte einen kleinen Beitrag zur NRW-Vogelkunde geleistet zu haben.

Literatur

DAK (2019): Seltene Vogelarten in Deutschland 2017. Seltene Vögel in Deutschland 2017: 2-34.

Dietzen, C. (2015): Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz, Band 2: Entenvögel bis Storchenvögel (Anseriformes – Ciconiiformes). Landau.

Glutz v. Blotzheim, U. (1987): Handbuch der Vögel Mitteleuropas Band 1. Wiesbaden.

Heinzel, H., R. Fitter & J. Parslow (1996): Pareys Vogelbuch. Hamburg/Berlin.

www.dutchavifauna.nl

 

Anschrift des Verfassers:

Dr. Manfred Kolleck

Winterstr. 27

33415 Verl