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VdM 07/2015

Die Waldammern von Nordrhein-Westfalen

Von Eckhard Möller

Das British Birds Rarities Committee (BBRC) hat mit Wirkung vom 1. Januar 2015 die Waldammer (Emberiza rustica) wieder auf die Liste der in Großbritannien meldepflichtigen Arten gesetzt, die dort seit 2006 nicht mehr verzeichnet war (BBRC 2015). Die Seltenheitenkommission beschreibt in ihrer Begründung die Westausbreitung der Waldammern nach Skandinavien, die im 20. Jahrhundert zu beobachten war. Der erste dokumentierte Brutnachweis in Norwegen war 1960, und 1994 wurden in dem Land 100-500 Brutpaare kartiert. Seitdem ist dort ein Rückgang der Bestände von 82 Prozent festgestellt worden. Auch die finnische und die schwedische Brutpopulation haben stark abgenommen.

Das spiegelte sich auch in den Zahlen der in Großbritannien beobachteten Waldammern wieder (BBRC 2015, White & Kehoe 2015), was dazu führte, dass die Art jetzt wieder meldepflichtig ist. Diese Entscheidung wird alle Birder hellhörig gemacht haben für das Schicksal dieser Ammer.

Auch in unserem Bundesland Nordrhein-Westfalen lässt sich dieser offenkundige Rückgang dokumentieren, denn die bisher letzte Waldammer wurde im letzten Jahrhundert, nämlich 1999 beobachtet: Am 13. Oktober war Axel Müller in der Feldflur um den Sommerhof zwischen Altengeseke und Klieve (Kreis Soest) unterwegs. Es herrschte reger Vogelzug, allerdings zumeist in großer Höhe.

Aus seinem Bericht: „In einer ca. 500m langen Hecke neben einem Wirtschaftsweg hatten sich viele Singdrosseln (Turdus philomelos), einige Rotdrosseln (T. iliacus) und Amseln (T. merula) sowie einzelne Buchfinken (Fringilla coelebs) und Goldammern (Emberiza citrinella) versammelt. Als ich mit dem Auto langsam die Hecke entlangfuhr, bemerkte ich plötzlich eine dunkel rotbraune Ammer, die neben dem Weg unter den Bäumen aufflog und in ca. 3m Höhe auf einem Ast landete. Der Blick durchs Fernglas bestätigte sofort die Spontandiagnose, dass es sich um eine Waldammer (E. rustica) handeln müsse.

Deutlich war die kontrastreiche Gesichtszeichnung mit breitem Überaugenstreif, ebensolchem Bartstreif und auffälligem ‚Ammerfleck‘ in den Ohrdecken sowie der strahlend weiße Bauch mit einer Reihe leberbrauner Flankenflecken und einem ebensolchen Brustband zu erkennen. In Verbindung mit zwei weißen Flügelbinden, einer relativ kurzschwänzigen Silhouette und einer leicht gesträubtem Scheitelbefiederung (Umriss insgesamt an Buchfink erinnernd) handelte es sich unverwechselbar um eine Waldammer. … Nach einigen Minuten Nachsuche sah ich die Ammer wiederum unter den Bäumen auffliegen, wobei sie ihr typisches ‚tsick‘ rief…“

Leider konnte der Vogel später nicht wiedergefunden werden. Die Waldammer von Altengeseke wurde von der Deutschen Seltenheitenkommission anerkannt (DSK 2005).

Sie war erst die Dritte in Nordrhein-Westfalen. In den beiden Landesavifaunen (Peitzmeier 1969, Mildenberger 1984) sind noch keine Waldammern aufgeführt.

Es war am 16. September 1990, als Axel Müller auf einer Brachfläche an einem Kalksteinbruch in Wuppertal-Schöller eine braunstreifige Ammer entdeckte. Aus seinem Bericht: „Auf den ersten Blick sah der Vogel ganz wie eine Rohrammer aus, allerdings mit abweichender Kopfzeichnung. … Mantel, Schulterfedern und Flügeldecken waren schwärzlich, rotbraun und rahmfarben längsgestreift … Die Schirmfedern hatten schwarzbraune Zentren und, vor allem auf den Außenfahnen, breite hell-rotbraune bis rahmfarbene Säume.

Der Bürzel und die Oberschwanzdecken waren mehr oder weniger zeichnungslos rötlichbraun (nicht so leuchtend kastanienbraun wie bei der Goldammer) … Der Schwanz wirkte dunkelbraun mit weißen Außenkanten.

Das Auffallendste an der Ammer war jedoch die Kopfzeichnung: Scheitel und Zügel- und Ohrdeckenbereich wirkten ziemlich einheitlich dunkelbraun; die etwas gesträubten Scheitelfedern allerdings mit nicht näher erkennbarer hellerer Zeichnung. … Der vor dem Auge nur angedeutete Überaugenstreif war über und hinter dem Auge breit und scharf begrenzt, weiß mit leicht rahmfarbener Tönung. Nach hinten ging er fließend in die vorwiegend rötlichbraune Nackenfärbung über … Auffallend war auch ein kleiner, rundlicher, rahmfarben-weißlicher Fleck im hinteren Drittel der sonst dunkelbraunen Ohrdecken…

Der Vogel äußerte im Flug zweimal ein kurzes, hohes „tsit“, das mich etwas an Flugrufe von Singdrosseln erinnerte.“ Er konnte später leider nicht wiedergefunden werden.

Die Waldammer von Schöller war der erste Nachweis in Nordrhein-Westfalen. Sie wurde von der Seltenheitenkommission der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen (GRO) und vom damaligen Bundesdeutschen Seltenheitenausschuss anerkannt (BSA 2002).

Es dauerte ziemlich genau acht Jahre, bis am 9. Oktober 1998 die zweite Waldammer entdeckt wurde. Axel Müller und Wolfgang Pott waren an den Hattroper Klärteichen (Kreis Soest) unterwegs, um Vögel zu beobachten, als plötzlich vor ihnen eine Ammer von dem unbefestigten Weg aufflog. Nach einigen Schwierigkeiten konnten die Beiden „die rotbraunen Fleckenreihen entlang der Flanken und den sonst milchweißen Bauch sowie die typische Gesichtszeichnung sehen“ (Abb. 1 und 2).

Abb.1 und 2: Die Waldammer von Hattrop 9. Oktober 1998 (Abb. 2 mit einem Bluthänfling). Fotos: Axel Müller

Es war „ingesamt eine typische Ammer, deutlich kleiner und etwas kurzschwänziger als eine Goldammer. In der Größe im direkten Vergleich etwa einem Bluthänfling (Carduelis cannabina) entsprechend, jedoch etwas länger… Bei der Nahrungssuche am Boden sehr unauffällig, ohne das nervöse Hüpfen und Schwanzzucken der Rohrammer. Geht bei der Nahrungsaufnahme dicht an den Boden gedrückt langsam vorwärts, in dichterer Vegetation ist sie dabei praktisch unsichtbar; größere Strecken werden schnell laufend zurückgelegt, dabei wirkt sie hochbeinig, fast wie ein Pieper (Anthus) mit eng anliegendem Gefieder. Während der ganzen Beobachtungszeit wurde nicht einmal Hüpfen beobachtet.

Bei Unruhe und im Abflug mehrfach die charakteristischen „tsick“-Rufe gehört, die grob an Rufe von Singdrossel oder Rotkehlchen (Erithacus rubecula) erinnern, aber tonloser klingen. Sie sind viel leiser und weniger ‚schneidend‘ als ähnliche Rufe der Goldammer“ (soweit ihr Bericht).

Die Waldammer von Hattrop wurde von der Deutschen Seltenheitenkommission anerkannt (DSK 2002).

Der dritte Nachweis war dann ein Jahr später im Oktober 1999.

Für unser großes Nachbarland Niedersachsen konnte Zang (in Zang et al. 2009) auch nur drei Nachweise fernab der Küsten aufführen, nämlich im südniedersächsischen Bergland mit den Börden (und weitere sechs Nachweise von den Inseln).

Nach nunmehr 16 Jahren ohne Waldammern darf sich jeder Beobachter äußerst glücklich schätzen, wenn es ihm gelingt, eine irgendwo in NRW zu entdecken. Die Zeit dafür mit den besten Chancen ist offenbar um den Oktober. Der Herbst steht vor der Tür…

Literatur

British Birds Rarities Committee (2015): Out with the old and in with the … old. British Birds 108: 288-291.

BSA (2002): Seltene Vogelarten in der Bundesrepublik Deutschland 1990. Limicola 6: 153-177.

DSK (2002): Seltene Vogelarten in Deutschland 1998. Limicola 16: 113-184.

DSK (2005): Seltene Vogelarten in Deutschland 1999. Limicola 19: 1-63.

Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes, Band 2. Düsseldorf.

Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Münster.

White, S. & C. Kehoe (2015): Report on scarce migrant birds in Britain in 2011-12. British Birds 108: 192-219.

Zang, H., H. Heckenroth & P. Südbeck (2009): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen – Rabenvögel bis Ammern. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, Sonderreihe B Heft 2.11. Hannover.

Anschrift des Verfassers:

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

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