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VdM 12/2013

Der Gelbbrauen-Laubsänger von Zyfflich

Von Peter de Vries

Es war am 16. Oktober 2013. Ich kam gegen 16.15 Uhr nach Hause. Als ich unseren Garten erreichte, war einer der ersten Vögel, die ich rufen hörte, ein Sommergoldhähnchen. Das ist ja nett, war mein erster Gedanke – das erste des Herbstes in unserem Garten! Sofort ging ich auf die Suche, den Winzling zu sehen, aber irgendwo tief in meinem Hinterkopf dachte ich: Dies ist die perfekte Jahreszeit für Gelbbrauen-Laubsänger. Wenn jemals einer unseren Garten besuchen sollte, dann muss es heute sein!

Das Wetter war perfekt, kein Wind, kein Regen. Es war bewölkt, aber das Fehlen von Wind machte alles sehr angenehm. Langsam ging ich durch den Garten und dann – ganz plötzlich – war da das so gut bekannte „tsooiest“…

„Wow, Blako“, rief ich (das ist die Birder-Abkürzung für den holländischen Namens), „da ist ein Bladkoning in meinem Garten!“ – Der Vogel rief mehrere Male und hörte dann auf. Ich wusste mehr oder weniger, wo er sein musste, aber ich konnte ihn nicht sehen. Ich begann mit ‚Pishing’, und dann kam der Vogel aus den Büschen heraus. Ein phantastischer und wunderschöner Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) schaute für Bruchteile von Sekunden aus den Blättern und verschwand dann wieder.

Und dann begann der schwierige Teil: Ich wollte ein Foto von dem Vogel haben. Das war fast unmöglich und so eine Art Katz-und-Maus-Spiel. Jedes Mal war der Laubsänger zu schnell und ich zu langsam. Ich kriegte kein richtig gutes Foto hin, und am Ende musste ich dann mit ein paar schwachen, sehr schwachen Belegfotos zufrieden sein.

Abb. 1-3: Es erfordert sehr viel Zeit und Geduld, einen hektischen Gelbbrauen-Laubsänger in einem Gebüsch befriedigend zu fotografieren… Fotos: Peter de Vries

Der Gelbbrauen-Laubsänger war immer noch in unserem Garten und denen der Nachbarn auf Nahrungssuche. Die ganze Zeit über war er in Gesellschaft von drei bis vier Zilpzalpen und dem Sommergoldhähnchen. Gegenüber den anderen Vögeln war er sehr aggressiv, und alle fetzten oft hintereinander her. Als die Dämmerung begann, hörte man ihn öfter, und nach einer langen Reihe von Rufen verschwand er in einem Ahorn. Es war da schon fast dunkel; ich glaube, das war sein Schlafplatz.

Am nächsten Tag war ich schon vor acht Uhr draußen. Es war noch ziemlich dunkel, einige Rotkehlchen riefen. Dann begann das Sommergoldhähnchen, und plötzlich hörte ich den Laubsänger wieder! Er war also noch da! An diesem Morgen war es sehr windig, und ich konnte ihn nur einmal sehen, für nicht länger als eine Sekunde. Gegen zehn musste ich weg zur Arbeit.

Früher als sonst kam ich nachmittags wieder nach Hause. Der Gelbbrauen-Laubsänger war zum Glück noch da, und ich konnte weitere Fotos machen (Abb. 1-3). In der Zwischenzeit waren zwei andere niederländische Birder gekommen und konnten den Vogel von der Straße aus hören (http://waarneming.nl/waarneming/view/79755452 und http://waarneming.nl/waarneming/view/79754430). Erstaunlich war, dass kein deutscher Beobachter kam, um nach ihm zu schauen… Der Vogel war bis zur Dunkelheit zu sehen und zu hören.

Die Nacht vom 17. zum 18. Oktober war ruhig und klar. Es gab keinen Regen, keinen Wind und fast keine Wolken. Es war Vollmond und daher keine Überraschung, dass der Vogel am nächsten Tag weg war. Auch die Zilpzalpe und das Sommergoldhähnchen waren weitergezogen.

Am 18. Oktober wurden in Millingen aan de Rijn in den Niederlanden ein Gelbbrauen-Laubsänger entdeckt (http://waarneming.nl/waarneming/view/79771842). Das ist nur sechs Kilometer von Zyfflich entfernt und 870 Meter von der deutschen Grenze. Dieser Vogel blieb offenbar nur einen Tag – und könnte theoretisch der Zyfflicher gewesen sein…

Beschreibung

Größe und Struktur:

Ein „Phyllo“, ein bisschen kleiner als ein Zilpzalp und ein bisschen größer (länger) als das Sommergoldhähnchen (direkter Vergleich). Der Schnabel war sehr klein und schmal, ein wenig dünner und länger als beim Goldhähnchen.

Unterseite:

Weißlich.

Oberseite:

Grün, nicht wirklich sehr kräftig, aber auch nicht so schwach wie ein Tienschan-Laubsänger (Ph. humei). Ein breiter weiße Flügelbinde und eine viel kleinere zweite (auch weiß).

Kopf:

Sehr deutlicher langer gelblicher Überaugenstreif vom Schnabel bis zum Nacken. Darunter ein dunkler Augenstreif. Scheitel grün, keinerlei Anzeichen eines Scheitelstreifs.

Unbefiederte Teile:

Beine bräunlich, Schnabel ‚hell-dunkel’ (nicht schwarz).

Ruf:

Der klassische laute, scharfe und durchdringende Ruf des Gelbbrauen-Laubsängers „tsooiest“. Der erste Teil tiefer und der zweite höher.

Verhalten:

Sehr unruhig und mobil. Locker assoziiert mit Sommergoldhähnchen und Zilpzalpen. Die Nahrungssuche war aktiver und schneller als die des Goldhähnchens und viel schneller als die der Zilpzalpe. Ich konnte den Vogel finden und erkennen an der Art, wie er Nahrung suchte und durch die Bäume manövrierte.

Wir müssen andere ähnliche Arten ausschließen:

Zilpzalp (Ph. collybita): Die Flügelbinden und der Überaugenstreif schließen diese Art aus.

Taigazilpzalp (Ph. c. tristis): Kann manchmal eine schwache helle Flügelbinde haben, ist aber insgesamt grauer (ohne Grün), und der Ruf ist anders.

Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapilla): Bei dieser Art ist der Überaugenstreif weiß (und nicht gelb), der Scheitel ist anders gefärbt.

Goldhähnchenlaubsänger (Ph. proregulus): Sieht ein wenig wie ein Gelbbrauen_Laubsänger aus, ist aber kleiner, hat einen klaren und deutlichen Scheitelstreif und einen anderen Ruf (ein nasaler Ton).

Tienschan-Laubsänger (Ph. humei): Ist nicht so deutlich grün, sondern mehr graugrün. Unser Gelbbrauen-Laubsänger hatte zwei deutliche und klar weißliche Flügelbinden, die ein Tienschan hat nicht so deutlich zeigt. Auch ist der Ruf anders.

Andere Laubsänger mögen Möglichkeiten der Verwechslung bieten, haben aber einen völlig anderen Jizz und andere Rufe.

Der Zyfflicher Vogel war ganz klar ein Gelbbrauen-Laubsänger. Die Meldung wurde von der AviKom anerkannt als achter Nachweis für Nordrhein-Westfalen (s. Buchheim 2011).

Im Herbst 2013 wurde in ganz Nord- und Westeuropa von Mitte September an ein massiver Einflug von Gelbbrauen-Laubsängern beobachtet. Auf den Inseln nördlich von Schottland wurden am 26. September allein über 300 gezählt. (Nightingale & Hussey 2013). Rund 140 sind im September aus Schweden gemeldet worden, etwa 50 aus Finnland und rund 150 aus Frankreich. Noch weiter im Süden waren es mindestens 28 in Spanien und 10 in Portugal (Western Palearctic News).

Auch auf Helgoland machte sich der Einflug deutlich bemerkbar: Am 28. September wurden über 50 Gelbbrauen-Laubsänger auf der Insel gezählt (www.oag-helgoland.de). Am 27. September gelang es dort sogar zum ersten Mal, gleichzeitig drei Individuen zusammen zu fotografieren – und dann noch auf einer Betonmauer (Mathieu Waldeck, www.club300.de Gallery).

Schön, dass auch Nordrhein-Westfalen von diesem Einflug zumindest berührt wurde…

Literatur

Buchheim, A.: Der Gelbbrauen-Laubsänger von Datteln. www.nwo-avi.com „Vogel des Monats November 2011“

Buchheim, A. (2011): Der Gelbbrauen-Laubsänger von Datteln. Charadrius 47: 298-301.

Nightingale, B. & H. Hussey (2013): Recent reports. British Birds 106: 696-700.

Western Palearctic News. Birding World 26 (2013): 418-424.

www.oag-helgoland.de Aktuelle Beobachtungsdaten.

Anschrift des Verfassers:

Peter de Vries

Zum Wyler Meer 8

47559 Zyfflich