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VdM 05/2011

Der „Schellsäger“ von Dortmund

Von Dagmar Uttich

Eigentlich würde man nicht auf die Idee kommen, regelmäßig im Dortmunder Stadthafen Vögel zu beobachten. Er ist der größte Stadthafen Europas und mit dem typischen Charme eines Containerhafens ausgestattet. Im Winter halten sich zahlreiche Möwen und Blässhühner dort auf, vereinzelt auch Tafel- und Reiherenten. Mit ornithologischen Überraschungen würde man aber hier eher nicht rechnen.

Da ich in der Nähe arbeite, hatte ich es mir angewöhnt, dort regelmäßig die Vögel zu beobachten. So auch gegen 11.30 Uhr am 7. März 2011. An diesem Tag schwamm inmitten der Möwen und Blässhühner eine Ente, die ich noch nie gesehen hatte. Sie war sehr scheu, und als ich sie fotografierte, suchte sie – immer wieder untertauchend – das Weite. Trotz der dunklen Augen und der ungewöhnlich großen weißen Flecken im Gesicht hielt ich sie für eine Schellente. Ich bin um 17 Uhr noch mal zum Hafen gegangen, weil ich inzwischen realisiert hatte, dass Schellenten eigentlich gelbe Augen haben. Ich wollte mich noch einmal davon überzeugen, dass der Vogel wirklich dunkle Augen hatte und dies nicht auf einen Lichteffekt beim Fotografieren beruhte.

Da ich keine Expertin bin, fehlte mir die Sachkenntnis für eine korrekte Bestimmung, und ich freute mich daher über den ersten – allerdings etwas merkwürdigen – Schellerpel, den ich je gesehen hatte.

Wenige Tage später nahm ich an einer Demonstration für den Erhalt des Naturschutzgebietes Groppenbruch in Dortmund-Mengede teil, das einem Gewerbegebiet weichen soll. Der Groppenbruch ist eines der letzten Gebiete in Dortmund, wo noch Kiebitze und Feldlerchen brüten und seltene Tier- und Pflanzenarten zu finden sind. Viele davon stehen auf der Roten Liste von Nordrhein-Westfalen, manche gelten sogar deutschlandweit als gefährdet.

Dort traf ich Erich Kretzschmar und Volker Heimel vom Dortmunder NABU. Ich zeigte ihnen meine Fotos der Hafen-Ente und fragte sie, ob Schellenten auch schon mal so abweichend aussehen können. Herr Kretzschmar äußerte als Erster die Vermutung, dass es sich hier um eine Kreuzung zwischen Schellente und Zwergsäger handeln könne, die auch bei Jonsson (1992) erwähnt wird. Er verwies mich an die Avifaunistische Kommission.

So ergab sich, dass ich dort eine Meldung mit meinen Fotos einreichte und zu meiner Überraschung ein großes Echo erzielte. Ohne die Demonstration für den Groppenbruch wäre dieser Vogel sicher als schlichte Schellente in die Annalen der Dortmunder Vogelbeobachtungen eingegangen.

Schellente x Zwergsäger-Hybriden (Bucephala clangula x Mergellus albellus) sind erst wenige Male in Deutschland dokumentiert worden. Der Erste war sicher ein Erpel, der im Frühjahr 1825 auf der Oker bei Braunschweig geschossen wurde und dann als Präparat in das Naturhistorische Museum kam. Er wurde 1829 sogar als eine eigene Art beschrieben, als „Entensäger (Mergus anatarius)“ (Kamcke 2004), die für viele Diskussionen sorgte.

Schellente x Zwergsäger-Hybrid (“Schellsäger”), Dortmund, März 2011. Fotos: Dagmar Uttich

Im Frühjahr 2008 hielt sich ein „Schellsäger“ mehrere Wochen lang auf dem Ilkerbruch-See bei Wolfsburg auf (Schulze o.J.). Im selben Jahr konnte Kjell Johansson am 26. April bei Niannoret/Hälsingland in Schweden einen solchen Hybriden mit dem schönen schwedischen Namen „Knipskrake“ fotografieren (www.artportalen.se). Gillham & Gillham (2003) zeigen ein Männchen, das im April 1995 bei Tammisaari in Finnland aufgenommen worden ist. Sie weisen darauf hin, dass wohl alle Männchen eine kurze Haube haben, die aber nur selten gut zu sehen sei – außer bei Balzhandlungen.

Bei Randler (2001) sind verschiedene Ausprägungen der Kopfzeichnung von „Schellsägern“ abgebildet. Sie unterscheiden sich im wesentlichen in der Ausdehnung und der Form des Weißanteils.

Der Schellente x Zwergsäger-Hybrid vom Dortmunder Hafen ist der erste Nachweis für Nordrhein-Westfalen.

Danksagung: Mein herzlicher Dank geht an Erich Kretzschmar, Jörg Langenberg, Jörn Lehmhus und Martin Gottschling für die wichtigen Hinweise zur Bestimmung des ungewöhnlichen Vogels und an Eckhard Möller von der Avifaunistischen Kommission für die Bereitstellung von Daten und Literatur.

Literatur:

Gillham, E. & B. Gillham (2003): Photo forum: Indentification of hybrid ducks. Birding World 16: 58-68

Jonsson, L. (1992): Die Vögel Europas und des Mittelmeerraumes. Stuttgart.

Kamcke, C. (2004): Tipp des Monats im Februar 2004: Der Entensäger – Eine Rarität aus dem 19. Jahrhundert. www.naturhistorisches-museum.de/entens%E4ger.html

Randler, C. (2001): Field identification of hybrid wildfowl – Aythya. Alula 7: 148-156.

Schulze, H. (o.J.): Ein Artbastard aus Schellente und Zwergsäger. www.natur.de/bilder.asp?bildID=1306

www.artportalen.se/birds/gallery_imageinfo.asp?imageID=70774

Anschrift der Verfasserin:

Dagmar Uttich

Saarlandstr. 96

44139 Dortmund