VdM 03/2016
Die Kappenammer von Severinghausen
Von Claus Sandke
Ich war am 7. Juni 2014 bei Brutvogelkartierungen in Essen-Friesenbruch unterwegs, direkt an der Stadtgrenze von Bochum-Sevinghausen. Eine Feldflur mit Raps, Weizen, einigen Weiden und angrenzenden Gärten. Der Morgen war sonnig und windstill, und es war um 8 Uhr schon über 20 Grad warm.
Plötzlich flog eine kräftig wirkende Ammer, die im Flug ihren Kopf etwas tiefer als ihren Rücken hielt, bei Gegenlicht etwa zwanzig Meter an mir vorbei und verschwand in einem Rapsfeld. Ihre Gefiederzeichnung konnte ich in der kurzen Beobachtungszeit im Gegenlicht nicht erkennen. Allerdings erinnerten mich ihr Flugbild und die scharfen Rufe wie „ptr’r’r, ptr’r’r“ an eine Kappenammer.
Nach etwa fünf Minuten und weiteren Rufen aus dem Rapsfeld flog der Vogel rufend auf und verschwand nach etwa fünfzig Metern wieder in einem angrenzenden Weizenschlag. Diesmal war das Licht optimal, und ich erkannte eine große gelbe langschwänzige Ammer mit schwarzer Kopfplatte und braunem Mantel.
Nach etwa zehn Minuten ohne Sichtbeobachtungen und Rufen flog sie wieder rufend in einen etwa hundert Meter entfernt liegenden Garten mit vielen Koniferen. Dort angekommen, hörte ich dann deutlich den Gesang einer Kappenammer (Emberiza melanocephala). Nach kurzer Zeit fand ich sie recht exponiert seitlich auf der Spitze eines Nadelbaums sitzend. Dort konnte ich sie dann etwa vier Minuten lang beobachten, bevor sie in östlicher Richtung abflog. Während der Beobachtungszeit sang sie noch sechs Mal (auf etwa 30m Entfernung).
Beschreibung:
Große recht langschwänzige Ammer, schwarze Kappe bis weit unter das Auge, im Sonnenlicht leuchtend gelbe Kehle, Brust und Unterschwanzdecken, gelber Halsring nur durch den rotbraunen Nacken unterbrochen, rotbrauner Mantel und Bürzel, kräftiger grauer Schnabel. Gesang und Rufe konnte ich eindeutig einer Kappenammer zuordnen.
Wegen der schon frühen Wärme hatte ich meinen Rucksack schon zwischenzeitlich ins Auto gelegt und deshalb leider keine Kamera bei mir, um Belegfotos zu machen. Eine Nachsuche mit den von mir sofort informierten lokalen Beobachtern bis 14 Uhr und in den Morgenstunden des darauf folgenden Tages blieb leider erfolglos.
Ich kenne Kappenammern von vielen Aufenthalten in Griechenland gut. Meine letzten Beobachtungen aus dem Brutgebiet hatte ich im Mai 2014 auf der Insel Kos. Dort hielten sich auf einer Probefläche 3 Revierpaare auf 50 ha auf.
Kappenammern, Rhodos/Griechenland Mai 2009. Fotos: Thomas Kuppel
Die Kappenammer von Sevinghausen wurde von der Avifaunistischen Kommission der NWO anerkannt. Es ist der erste Nachweis dieser südöstlichen Art in Nordrhein-Westfalen. Die Deutsche Avifaunistische Kommission (DAK) folgte der Empfehlung der AviKom (DAK brfl.).
In den benachbarten Niederlanden gibt es bisher 15 anerkannte Nachweise, davon 12 in den beiden Monaten Mai und Juni. Der erste Nachweis war 1962, der zweite 1967, die weiteren folgen ab 1993 (www.dutchavifauna.nl).
Die sechs Nachweise in Niedersachsen, die Zang (in Zang et al. 2009) aufführt, stammen alle von den Inseln Scharhörn und Mellum, vier davon aus Mai und Juni.
Bei unseren Nachbarn in Hessen gibt nur einen Nachweis vom 22. August 1980 (Avifauna Hessen laut Jan Heckmann); in Rheinland-Pfalz ist offenbar vor 2014 noch keine Kappenammer beobachtet worden (Dietzen 2014), dann aber am 8. Juni 2014 ein Männchen bei Oberarnbach (Kreis Kaiserlautern) (http://www.dda-web.de/index.php?cat=monitoring&subcat=dak&subsubcat=obs).
Weiter von Nordrhein-Westfalen erntfernt waren nach ornitho.de in 2014 je eine männliche Kappenammer am 25. Mai an der Küste bei Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) und am selben Tag bei Lenggries nahe Bad Tölz in Bayern. Letztere hielt sich dort etwa eine Woche auf. Die Kappenammer von Severinghausen passt da gut ins Bild.
Danksagung: Mein Dank geht an Jan Heckmann für die Auskunft über Hessen und an Thomas Kuppel für die Fotos der Kappenammer.
Literatur
Dietzen, C. (2014): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – eine aktuelle Artenliste. In: C. Dietzen et al.: Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz Band 1, Mainz: 533-544.
Zang, H., H. Heckenroth & P. Südbeck (2009): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen – Rabenvögel bis Ammern. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, Sonderreihe B Heft 2.11. Hannover.
www.dutchavifauna.nl
Anschrift des Verfassers:
Claus Sandke
Dahlienweg 34
44869 Bochum