VdM 10/2017
Erste Seeadler-Brut in Nordrhein-Westfalen
Von Ingbert Schwinum
Am 25. Juli 2014 bekam ich einen Anruf von Reinhard Landes, der von einer Beobachtungshütte im Kreis Wesel aus einen Seeadler (Haliaeetus albicilla) beobachten konnte. Da ich gerade in der Nähe unterwegs war, bin ich sofort dort hingefahren und konnte den großen Vogel im zweiten Kalenderjahr ebenfalls beobachten – unsere erste Sommerbeobachtung eines Seeadlers in Xanten. Dabei habe ich festgestellt, dass er am rechten Bein einen goldfarbenen Ring, jedoch am linken Bein keinen Kennring trug.
Abb. 1 Die ganze Seeadler-Familie zusammen…
Foto: Angelika Gerhardt
Abb. 2 Einer der Jungadler…
Foto: Frank Wilmsen
Am 25. und 31. August 2014 konnten von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Rheinberg unter der Leitung von Karl-Heinz Gaßling zwei Seeadler im Orsoyer Rheinbogen beobachtet werden, die dann am 1. September erstmals auch auf der Bislicher Insel gesehen wurden.
Die beiden immaturen Adler hielten sich danach durchweg in der Umgebung der Bislicher Insel auf und zeigten ein sehr vertrautes Verhalten untereinander. Das war auch der Grund, der mich veranlasste, bei ornitho.de im Juni 2016 den Antrag zu stellen, alle Beobachtungen von Seeadlern in der Umgebung der Bislicher Insel zu schützen.
Der Ring des Männchens konnte bisher nicht abgelesen werden; das Weibchen trägt keine Beringung, sodass wir bis jetzt keine Auskunft über die Herkunft der beiden Vögel haben.
Ende September 2016 konnte ich den ersten Seeadler mit einem großen Ast im Fang beobachten. Am 22. November wurde dann von Thomas Wiesner von einer Hütte aus beobachtet, dass beide Adler intensiv mit dem Bau eines Horstes in einer Pappel in einem Naturschutzgebiet beschäftigt waren.
Am nächsten Tag wurden die Vogelschutzwarte NRW, die Untere Naturschutzbehörde und der Regionalverband Ruhr von mir über den fast fertigen Horst informiert. Bei der Unteren Naturschutzbehörde wurde Stephanie Krüßmann mit der Planung zum Schutz des Horstes beauftragt.
Bis dahin lief alles ruhig und ohne Störungen ab. Das änderte sich schlagartig mit dem Zufrieren des Altrheines am 22. Januar 2017. Da waren dann plötzlich 20-30 Schlittschuhläufer auf dem Altrhein unterwegs und es wurden direkt vor dem Horst Pirouetten gedreht. Da ich schon eine Vorahnung gehabt hatte, war ich bereits unterwegs, als ich die Mitteilung bekam. Bei meinem Eintreffen habe ich zunächst an die Vernunft der Schlittschuhläufer appelliert – und siehe da, die meisten sind meiner Bitte nachgekommen das Eis zum Schutz der Vögel zu verlassen.
Die Seeadler saßen zu diesem Zeitpunkt etwa 400 Meter vom Horst entfernt und trauten sich nicht ihn anzufliegen, den sie bis dahin bereits fast jeden Abend aufgesucht hatten. Da einige Schlittschuhläufer nicht bereit waren, das Eis zu verlassen, musste ich das Ordnungsamt der Stadt Xanten bitten, den Altrhein zu räumen. Damit die junge Dame vom Ordnungsamt auch ernst genommen wurde, haben Jörg Kremer und ich sie dabei unterstützt.
Nachdem dann auch noch eine Einigung mit den Anglern gefunden wurde und die Untere Naturschutzbehörde das Umfeld des Horstes sporadisch bewachte, begann dann ziemlich sicher am 12. März die Brut. Die Brutzeit endete rein rechnerisch am 20. April.
Am 22. April gegen Abend wurden dann von Robert Willecke, Dominik Baumann und mir Aktivitäten am Horst festgestellt, die auf einen Bruterfolg schließen ließen.
Am 3. Mai konnte ich beobachten, wie ein Altvogel fütterte; am 4. bzw. 5. Mai konnten Reinhard Landes, Alfred Beckmann und ich zwei noch sehr kleine Jungvögel auf dem Horst entdecken und den Bruterfolg fotografisch dokumentieren.
Die Vogelschutzwarte und alle anderen beteiligten Personen haben auf eine Beringung verzichtet, um den Bruterfolg nicht unnötig zu gefährden.
Herzlicher Dank geht an Herrn Janzen vom Regionalverband Ruhr und seine Mitarbeiter, die alles getan haben, dass von Seiten der Grundstücksnutzung, Jagd und Vertragsnaturschutz, keine Störungen auftreten konnten.
Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Horstmann, dem Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Wesel, und seinen Mitarbeiter/innen, die für meine Anregungen während der Brutzeit immer ein offenes Ohr hatten und die während der störungsempfindlichen Phase der Balz- und Brutzeit auch an den Wochenenden dort viele Überstunden geleistet haben.
Wann zuletzt ein Seeadler in Nordrhein-Westfalen gebrütet hat, konnte ich bisher leider nicht herausfinden. Es muss viele Jahrhunderte her sein…
Die beiden Jungvögel haben am 8. Juli 2017 den Horst verlassen (Abb. 1, 2), was ein sehr schöner Erfolg für den Natur- und Artenschutz im Kreis Wesel und letztlich auch für das Land Nordrhein-Westfalen ist.
Die erfolgreiche Brut des Seeadler-Paares im Kreis Wesel ist von der Avifaunistischen Kommission der NWO als erster Brutnachweis in Nordrhein-Westfalen anerkannt worden.
Anschrift des Verfassers:
Ingbert Schwinum
Pastor-Schmitz-Str. 40
46485 Wesel