VdM 03/2010
Die Zwergtrappen von Nordrhein-Westfalen
Von Eckhard Möller
Am 8. Januar 2010 machte eine Email blitzschnell die Runde in Deutschland: Vor der Insel Poel in der Mecklenburgischen Ostsee war zwei Tage vorher von einem Schiff aus eine weibchenfarbene Zwergtrappe gesehen worden, die über dem Wasser flog und sogar mehrfach Runden um das Boot drehte! Die Nachricht erinnerte daran, dass „früher“, d.h. im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch in Nordrhein-Westfalen Zwergtrappen (Tetrax tetrax) gar nicht mal so selten nachgewiesen worden sind.
Fast alle Zwergtrappen, die in Norddeutschland bekannt wurden und in die Literatur eingingen, starben in den Schroten der Jäger oder Trophäensammler. Auch das Weibchen, dass im November 1983 sogar hoch in den Norden bis auf die Insel Föhr geflogen war, wurde bei einer „Fasanenjagd“ getötet – der bisher letzte Nachweis in Schleswig-Holstein (Radomski 2009).
Die Liste der in den Avifaunen von Nordrhein-Westfalen (Peitzmeier 1969, Mildenberger 1982) aufgeführten Zwergtrappen umfasst daher nahezu ausschließlich tote Vögel:
– Im Herbst 1863 war eine bei Münster.
– Am 22.11.1878 wurde ein Weibchen bei Köln erlegt.
– Am 9.12.1878 wurde eine in Langenfeld (Kreis Mettmann) geschossen.
– Am 11.9.1882 wurde eine in Wesseling (Rhein-Erft-Kreis) geschossen.
– Am 31.12.1883 wurde ein Männchen bei Altenberge (Kreis Steinfurt) geschossen (RADE & LANDOIS 1886). Der Balg befindet sich im LWL-Museum für Naturkunde in Münster.
Die Zwergtrappe aus Altenberge vom 31.12.1883 im LWL-Museum für Naturkunde in Münster. Foto: Berenika Oblonczyk/LWL
– Am 18.9.1884 wurde eine bei Dülmen (Kreis Coesfeld geschossen. Das Präparat kam in die Sammlung des Fürsten Salm-Salm, die dann in das LWL-Museum für Naturkunde in Münster gelangte. (Bei anderen Autoren wird dieser Nachweis unter dem Jahr 1894 geführt.)
Die Dülmener Zwergtrappe vom 18.9.1884 im LWL-Museum für Naturkunde in Münster. Foto: Berenika Oblonczyk/LWL
– Am 25.8.1885 hielten sich 11 Zwergtrappen bei Rheda (Kreis Gütersloh) auf.
– Um den 7.5.1887 wurde eine bei Düsseldorf geschossen.
– Etwa 1890 wurde eine bei Vellern (Kreis Warendorf) „bei einem starken Schneetreiben“ geschossen (SCHMIDT 1907/08).
– Um 1892 ist ein adultes Weibchen in Solingen-Ohligs verunglückt.
– Um den 27.11.1895 wurde eine in Duisburg geschossen.
– Im Herbst 1895 war eine in Pulheim-Stommeln (Rhein-Erft-Kreis).
– Im Herbst 1895 oder 1896 wurde eine in Meckenheim (Rhein-Sieg-Kreis) geschossen.
– Im Oktober 1896 wurde eine in Erftstadt-Friesheim (Rhein-Erft-Kreis) geschossen.
– Im Oktober 1901 wurde ein Weibchen in Kamp-Lintfort (Kreis Wesel) geschossen.
– Am 15.12.1901 wurde ein Weibchen bei Neuss geschossen.
– Am nächsten Tag ebenfalls ein Weibchen bei Düsseldorf-Lohausen.
– Am folgenden Tag eine bei Kaarst (Kreis Neuss).
– Am 4.1.1902 wurde ein Weibchen bei Grevenbroich (Kreis Neuss) geschossen.
– Am 2.12.1902 ein Weibchen in Jülich (Kreis Düren).
– Am 7.1.1904 wurde ein Weibchen bei Gemen (Kreis Borken) getötet.
– Am 20.8.1904 wurde eine junge Zwergtrappe bei Belecke (Kreis Soest) geschossen (REICHLING 1932).
– Am 24.3.1905 wurde ein Weibchen an der Surenburg bei Riesenbeck (Kreis Steinfurt) geschossen (Familiensitz der Freiherren Heereman von Zuydtwyck).
– Wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg wurde eine in Waldfeucht-Braunsrath (Kreis Heinsberg) geschossen.
– Am 20.10.1913 wurde eine bei Haustenbeck in der Senne geschossen (WOLFF 1925).
– Am 22.12.1921 schlich sich Förster Nicolay von Haus Osthoff bei Dülmen (Kreis Coesfeld) bis auf 30m an eine junge weibliche Zwergtrappe heran, dann schoss er. Aber er hatte nicht getroffen – die Trappe flog hoch, setzte sich aber nach 10 Metern wieder. Nicolays zweiter Schuss tötete sie. Der Balg kam ins Museum nach Münster (REICHLING 1932).
– In den 1920er Jahren wurde eine bei Seringhausen östlich von Soest geschossen. Der Balg kam in Privatbesitz.
– Mitte Mai 1924 war ein Männchen in Mechernich-Wachendorf (Kreis Euskirchen) (Neubaur 1957).
– Am 4.5.1926 wurde ein adultes Männchen bei Amelsbüren in der Nähe von Münster angeschossen und verletzt in den Zoo in Münster eingeliefert. Dort starb es aber kurz darauf. Der Balg kam in das Landesmuseum (REICHLING 1932).
– Im April 1929 war eine in Heinsberg-Waldenrath (Neubaur 1957).
– Im Oktober 1953 wurde eine in Wesel-Bislich geschossen (Neubaur 1957). Der Balg befindet sich im Museum Alexander Koenig in Bonn.
Zwergtrappe von Wesel-Bislich im Zoologischen Forschunfsmuseum Alexander König. Foto: Darius Stiels
– Am 7.5.1955 konnte Stichmann eine bei Dinker (Kreis Soest) beobachten.
– Am 20.5.1961 beobachtete Feldmann ein Weibchen im Westwicker Feld nahe Unna.
In unserem Nachbarland Niedersachsen ist die Entwicklung offenbar ganz ähnlich verlaufen: Hummel & Ringleben (1985) listen 29 Nachweise auf, davon der älteste vom Winter 1844. Am 14. Dezember 1959 wurde bei Holzminden eine junge weibliche Zwergtrappe geschossen – seitdem gab es keine weiteren dort.
Bei Brinkmann (1933) steht der interessante Hinweis, dass der berühmte Ernst Hartert die im Rheinland auftretenden Zwergtrappen „für die westliche französische Form Otis t. tetrax“ halte. Heute gilt die Art als monotypisch ohne Unterarten. In Europa sollen derzeit 120.000 bis 300.000 Brutpaare leben, davon über 90 Prozent auf der Iberischen Halbinsel (Bauer et al. 2005). Die nächstgelegenen Brutplätze liegen zur Zeit in Frankreich; früher brüteten Zwergtrappen in Mitteleuropa auch in Deutschland, Polen, Österreich, der Tschechei, Slowakei und Ungarn.
Geradezu tragisch ist es, dass auch die bisher Letzte ihren Aufenthalt in Deutschland – wie so viele ihrer Vorgängerinnen – nicht überlebt hat: Ende Januar 2004 wurden auf der kleinen Greifswalder Oie in der Ostsee die Reste einer weiblichen Zwergtrappe gefunden, die zwischen dem 21. und 28. Januar dort einem Räuber zum Opfer gefallen sein muss (Müller 2008).
Danksagung:
Bedanken möchte ich mich bei Kathrin Schidelko, Darius Stiels und Dr. Jan Ole Kriegs für ihre Recherchen in den Sammlungen der Museen in Bonn und Münster.
Literatur:
Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (Hg.) (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. Wiebelsheim.
Brinkmann, M. (1933): Die Vogelwelt Nordwestdeutschlands. Hildesheim.
Hummel, D. & H. Ringleben (1985): Zwergtrappe. In: Knolle, F. & H. Heckenroth (Hg.), Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen Sonderreihe B Heft 2.4: 83-84.
Mildenberger, H. (1982): Die Vögel des Rheinlandes Band 1. Düsseldorf.
Müller, S. (2008): Bemerkenswerte avifaunistische Beobachtungen aus Mecklenburg-Vorpommern – Jahresbericht für 2004. Ornithologischer Rundbrief für Mecklenburg-Vorpommern 46: 161-197.
Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278.
Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Münster.
Rade, E. & H. Landois (1886): Die Vogelwelt Westfalens. Münster.
Radomski, U. (2009): Seltene Vogelarten in Schleswig-Holstein und Hamburg. Neumünster.
Reichling, H. (1932): Beiträge zur Ornis Westfalens und des Emslandes. Abhandlungen aus dem Westfälischen Provinzial-Museum für Naturkunde 3: 307-362.
Le Roi, O. (1906): Die Vogelfauna der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 63: 1-325.
Schmidt, H. (1908): Kleiner Beitrag zur Westfälischen Vogelfauna. Jahresberichte der Zoologischen Sektion des Westfälischen Provinzial-Vereins für Wissenschaft und Kunst XXXVI: 74-76.
Wolff, G. (1925): Die lippische Vogelwelt. Schötmar.
Anschrift des Verfassers:
Eckhard Möller
Stiftskamp 57
32049 Herford