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VdM 02/2016

Der Steinsperling vom Wupperthale

Von Eckhard Möller

Georg Bernard Hopff, Doktor der Medizin und der Chirurgie (Fuhlrott 1847), wurde 1804 in Hannover geboren, machte eine Apotheker-Lehre in Northeim, arbeitete dann als Apotheker-Gehilfe in Osnabrück und Bad Pyrmont und beginn im Frühjahr 1827 ein Medizinstudium in Berlin, wo er auch promovierte. Im Sommer 1831 ließ er sich als praktischer Arzt in Elberfeld (heute Wuppertal) nieder.

„Mit besonderer Vorliebe widmete er jedoch seine Muße der Naturgeschichte der Vögel und dem Studium der Mineralogie“, schrieb Fuhlrott (1847) in einem Nachruf. Wie in der Zeit üblich, hatte Hopff eine große Sammlung ausgestopfter Vögel aufgebaut, sie sei “aber dadurch von besonderem Werthe, dass sie, neben einer ungefähr gleichen Zahl ausländischer, an 150 in der Umgebung Elberfeld’s erlegter Vögel, in meist vorzüglichen Exemplaren, enthält, wodurch, zum großen Theil in beiden Geschlechtern, gegen 100 einheimische Species repräsentirt werden mögen. Eine für sich bestehende Gruppe von 40 Species auserlesener Kolibri’s bildet gleichsam die ästhetische Perle in dem naturhistorischen Schmucke, womit er sein Haus ausstattete“ (Fuhlrott 1847).

Hopff starb bereits 1847. Er übergab kurz vor seinem Tod dem Naturwissenschaftlichen Verein von Elberfeld und Barmen ein knappes Verzeichnis der von ihm im Raum Wuppertal beobachteten Vögel, „die … grösstentheils in seiner hinterlassenen Sammlung enthalten sind“ (Fuhlrott 1847). Dr. Johann Carl Fuhlrott (1803-1877), nach dem das ehemalige Fuhlrott-Museum benannt war, Lehrer in Elberfeld, Gründer des Vereins, veröffentlichte diese Liste 1848. Darin ist auch der Steinsperling (Petronia petronia) aufgeführt.

Hopffs Vogelsammlung wurde später an das Elberfelder Gymnasium abgegeben. Dort ist sie bei den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs restlos zerstört worden (Skiba 2006).

Otto le Roi (1906) führt für das damals als „Rheinprovinz“ bezeichnete Gebiet einige wenige durch Bälge belegte Nachweise von Steinsperlingen auf, alle aber außerhalb des heutigen Nordrhein-Westfalens. Er erwähnt auch die Angabe von Fuhlrott von 1858, die dieser aber bereits 1848 zum ersten Mal veröffentlicht hat: „…soll … Dr. Hopff einen Vogel aus dem Bergischen, der Umgegend von Elberfeld, besessen haben“ – eine bereits deutlich distanzierte Formulierung.

Aus den Texten von Fuhlrott geht aber gar nicht hervor, dass Hopff überhaupt einen Balg von dort besessen hat oder ob es nicht nur eine angebliche Sichtbeobachtung war. Auf jeden Fall hat damals le Roi in der Schulsammlung des Elberfelder Gymnasiums gesucht und dort keinen Steinsperling aus Wuppertal gefunden.

Schon Olearius formuliert 1884 in seinem Verzeichnis der im Raum Elberfeld nachgewiesenen Vögel unter „Nr. 115 Fringilla petronia L. sehr vorsichtig: „Von Dr. Hopff und später nicht wieder beobachtet“ (S. 122).

Neubaur (1957) geht nicht weiter auf die Angaben von Fuhlrott ein, führt den Steinsperling aber in seiner „Artenliste der Vögel aus der ehemaligen Rheinprovinz“ auf, bei der er sich auf le Roi (1906) beruft.

Thiele & Lehmann (1959) nehmen den Steinsperling nicht in ihr „Gesamtverzeichnis der im Niederbergischen Land nachgewiesenen Arten“ auf: „Steinsperling, Petronia petronia. Auch diese Art will Dr. Hopff hier einmal gesehen (! E.M.) haben“, schreiben sie in einer Liste der nicht akzeptierten Arten (S. 70).

Steinsperling, Madeira September 2011. Fotos: Thomas Kuppel

Im Handbuch der Vögel Mitteleuropas (Glutz von Blotzheim 1997) findet sich für Nordrhein-Westfalen nur ein knapper Hinweis auf le Roi (1906). „Viele ältere Beobachtungen aus mitteleuropäischen Ländern sind ungenügend belegt und schwer zu beurteilen“, heißt es in der Einleitung zu dem Abschnitt (S. 233).

Es ist daher erstaunlich, dass Heinz Mildenberger (1984) den möglichen/angeblichen Steinsperling von Wuppertal in seine rheinische Avifauna übernommen hat. Seine Formulierung, dass ein Vogel in Wuppertal-Elberfeld geschossen worden sei, lässt sich aus den angeführten Quellen nicht ableiten. Die Angabe galt bisher als einziger Nachweis dieser südlichen Art in Nordrhein-Westfalen. Folglich gelangte er auch in die NRW-Artenlisten von Herkenrath (1995) und Schmitz (2007).

Für unser Nachbarland Niedersachsen akzeptiert Zang (in Zang et al. 2009) nur zwei Nachweise: Ein Steinsperling wurde 1824 südlich von Goslar gefangen und in einem Käfig gehalten, und vor 1855 gelangte ein Balg mit der Aufschrift „Hannover“ in die Sammlung des Göttinger Museums, sei dort aber schon lange nicht mehr aufzufinden. Weitere Angaben aus Niedersachsen aus dem 19. Jahrhundert, zum Beispiel „hier und da im Harze“, zweifelt Zang an. Aus den Niederlanden ist kein Nachweis bekannt (www.dutchavifauna.nl).

Das Fazit: Der bisher einzige Nachweis eines Steinsperlings in Nordrhein-Westfalen beruht auf vagen Angaben aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bei denen noch nicht einmal gesichert ist, ob sie auf einem gefangenen Vogel, einem Balg oder einer Beobachtung beruhen. Sie genügen in keiner Weise den Anforderungen, die an akzeptierte Nachweise extrem seltener Arten oder hier sogar Erst-Nachweise gestellt werden müssen.

Daher bleibt nur die Empfehlung, den Steinsperling von der Liste der Vögel Nordrhein-Westfalens zu streichen.

Literatur:

Fuhlrott, J. C. (1847): Nekrolog. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der Preußischen Rheinlande und Westfalens 4: 135-139.

Fuhlrott, J. C. (1848): Verzeichnis der im Wupperthale vorkommenden, von Dr. Hopff beobachteten Vögel. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der Preußischen Rheinlande und Westfalens 5: 227-238.

Fuhlrott, J. C. (1858): Vogelfauna des Wupperthales nach den Sammlungen von Dr. Hopff und Dr. v. Guerard und nach eigenen Beobachtungen bearbeitet. Elberfeld.

Glutz von Blotzheim, U. (1997): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 14/1. Wiesbaden 1997.

Herkenrath, P. (1995): Artenliste der Vögel Nordrhein-Westfalens. Charadrius 31: 101-108.

Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes, Band 2. Düsseldorf.

Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278.

Olearius, A. (1884): Die Vögel der Umgebung Elberfelds. Jahresberichte des Naturwissenschaftlichen Vereins in Elberfeld 6: 110-129.

le Roi, O. (1906): Die Vogelfauna der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 63: 1-325.

Schmitz, M. (2007): Artenliste der Vögel Nordrhein-Westfalens. In: G. Rheinwald & M. Schmitz: Vögel zwischen Rhein und Weser. St Katharinen. S. 323-334.

Skiba, R. (2006): Zur Geschichte der vogelkundlichen Sammlungen im Wuppertaler Fuhlrott-Museum. Jahresbericht des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal 59 (Beiheft): 285-293.

Thiele, H. U. & H. Lehmann (1959): Die Vögel des Niederbergischen Landes. Jahresbericht des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal 18: 9-90.

Zang, H., H. Heckenroth & P. Südbeck (2009): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen, Sonderreihe B, Heft 2.11. Hannover.

Anschrift des Verfassers:

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

32049 Herford