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VdM 08/2015

Die Blauflügelente von Münster

Von Nils Anthes

Am 3. August 1999 kontrollierte ich mit Christoph Randler die rastenden Enten und Limikolen auf der kürzlich gefluteten Rinderweide auf den Erweiterungsflächen der Rieselfelder Münster. Dabei flog gemeinsam mit Krickenten eine kleine Ente auf, die einen leuchtend himmelblauen vorderen Armflügel aufwies. Als sie in etwa hundert Meter Entfernung wieder landete, konnten wir sie noch einige Zeit ausgiebig beobachten. Anschließend flog sie noch mehrmals auf, dabei konnten wir sie aufgrund ihrer Flügelzeichnung schnell im Flug erkennen.

Größe und Gestalt

Etwas größer als die Krickenten, ihre Gestalt entsprach praktisch diesen. Deutlich kleiner als eine Löffelente, mit der sich der Vogel einige Zeit schwimmend aufhielt.

Gefiederfärbung

Der erste Eindruck des schwimmenden Vogels entsprach dem einer Krickente: Recht einheitliches dunkelbraunes Gefieder. Flankenfedern mit schwärzlichem Schuppenmuster, Mantelfedern mit sehr dunkelbraunen Zentren, Brust und Hals dunkel gestrichelt. Rötliche Töne waren im Gefieder nicht vorhanden. Kopf fast zeichnungslos braun, jedoch mit einem sehr unauffälligen schwarzen Augenstreif, der sich bis weit hinter das Auge zog, und mit einer verdunkelt abgesetzten Kopfkappe (ähnlich Krickente). Nur sehr schwach, jedoch beim schwimmenden Vogel gut erkennbar, wies die Ente hinter der Schnabelbasis eine schmale senkrechte halbmondförmige Aufhellung des Gefieders auf.

Die äußeren Steuerfedern waren einheitlich braun gefärbt, ohne Weißanteil, wie er für Krickenten typisch ist.

Flugkennzeichen

Handflügel einfarbig bräunlich-schwarz. Die Armdecken bildeten ein einfarbiges, scharf begrenztes hellblaues Feld, unter dem sich ein auffälliges weißes Band erstreckte, das von den Spitzen der großen Armdecken gebildet wurde. Dieses Band verbreiterte sich im distalen Bereich des Armflügels. Armschwingen dunkelgrün („Flügelspiegel“), Flügelhinterrand dunkel bräunlich, ohne weiße Armschwingenspitzen.

Unbefiederte Körperteile

Die Beine konnten wir nicht sehen.

Der Schnabel war recht klein und schmächtig und glich in Länge und Struktur einem Knäkentenschnabel, er war aber etwas größer und kräftiger als bei den meist gemeinsam schwimmenden Krickenten. Weder im Profil noch von vorne gab es eine Verbreiterung des Schnabels (vgl. Zimtente), Färbung einfarbig dunkelgrau.

Auge dunkel, auf keinen Fall rötlich oder gelblich.

Zur eindeutigen Bestimmung als männliche Blauflügelente (Anas discors) im Schlichtkleid diente die Merkmalskombination aus geringer Größe, schmächtigem dunkelgrauem Schnabel, zeichnungsarmem dunkelbraunem Gesicht mit schwach ausgeprägtem Halbmondfleck sowie die charakteristische Löffelenten-ähnliche Flügelzeichnung.

Ausgeschlossen werden müssen als mögliche Verwechslungsarten insbesondere Knäkente (Anas querquedula) und Zimtente (A. cyanoptera). In allen Kleidern zeigt die Knäkente ein helleres Gefieder mit sehr kontrastreicher Gesichtszeichnung, die neben dem dunklen Augenstreif einen dunklen Wangenstreif aufweist. Im Flug zeigen Knäkenten-Männchen einen hell blaugrauen, jedoch nicht so auffallend “himmelblauen” vorderen Armflügel, der zudem nicht scharf abgesetzt ist, sondern fließend in den ebenfalls hellgrauen Handflügel übergeht. Das helle Band auf den Spitzen der Großen Armdecken ist nur schwach ausgeprägt, dagegen zeigen adulte Knäkenten einen auffällig weißen Armschwingenrand, der dem Vogel in Münster fehlte.

Zimtenten zeigen sehr oft auch im Schlichtkleid einen rötlichen Ton der Gefiederfärbung. Das Gesicht ist praktisch zeichnungslos und der schwarze Augenstreif fehlt meist. Auf den Großen Armdecken ist das weiße Band deutlich schwächer ausgeprägt. Entscheidend zum Ausschluss der Zimtente sind jedoch insbesondere der weiße Halbmondfleck vor dem Schnabel sowie der bei Zimtenten recht auffällig verbreiterte, verlängerte Schnabel, der im ersten Moment gar nicht zu einer solch kleinen Ente passen will und tendenziell an eine Löffelente erinnert.

Die Blauflügelente von Münster wurde von der Deutschen Seltenheitenkommission anerkannt (DSK 2005). Es war der siebte Nachweis dieser nordamerikanischen Entenart in Nordrhein-Westfalen.

Die erste Blauflügelente von NRW konnte Klemens Söding am 4. März 1952 auf dem Halterner Stausee (Kreis Recklinghausen) beobachten – einen Erpel. „Es ist nicht ausgeschlossen, daß das Stück bei den gerade im Winter 1951/52 öfter gemeldeten orkanartigen Stürmen, die aus NW bis W über den Atlantik tobten, in unseren Erdteil abgetrieben wurde“ (Söding 1953).

Mehr als 30 Jahre später, nämlich am 8./9. und dann wieder am 21./22. Oktober 1983 wurde die zweite Blauflügelente entdeckt, ein weibchenfarbenes Individuum im ersten Kalenderjahr in den Rieselfeldern in Münster (Michael Harengerd, Michael Klein u.a.).

Eine weibchenfarbene Blauflügelente hielt sich dann am 17. Dezember 1986 wiederum in den Rieselfeldern Münster auf (Brigitte Klinner, Michael Speckmann), genauso wie ein Erpel am 15.-17. und 20.-22. Juni 1988, der mit einem Knäkerpel vergesellschaftet war (Markus Baulig, Thomas Eickhoff u.a.).

Vom 3. bis zum 7. Mai 1989 schwamm ein Blauflügelerpel auf einer ehemaligen Kiesgrube bei Merzenich-Golzheim (Kreis Düren) (Abb. 1 und 2), vergesellschaftet mit einem Knäkerpel (Klaus Frankenberg, Arnold Nöthgen, Heribert Schwarthoff u.a.) (anerkannt vom damaligen Bundesdeutschen Seltenheitenausschuss/BSA 1991).

Abb. 1 und 2: Die Blauflügelente in Golzheim, Mai 1989. Fotos: Klaus Frankenberg

Am 24. März 1998 konnte Hans-Jürgen Gebauer in den Rieselfeldern in Münster ein Weibchen beobachten (anerkannt von der Deutschen Seltenheitenkommission/DSK 2002).

Nach dem Männchen vom 3. August 1999 war dann wiederum ein Männchen in den Rieselfeldern Münster am 20. September 2000 (Jan Ole Kriegs, Markus Haber) (anerkannt von der DSK 2006) die bisher letzte Blauflügelente in Nordrhein-Westfalen.

In den benachbarten Niederlanden und in Großbritannien fallen die meisten Nachweise von Blauflügelenten in die Phasen April bis Juni und später Ende August bis Oktober (van den Berg & Bosman 1999).

Literatur

Bundesdeutscher Seltenheitenausschuss (1991): Seltene Vogelarten in der Bundesrepublik Deutschland 1989 (mit Nachträgen 1977 bis 1988). Limicola 5: 186-220.

Deutsche Seltenheitenkommission (2002): Seltene Vogelarten in Deutschland 1998. Limicola 16: 113-184.

Deutsche Seltenheitenkommission (2005): Seltene Vogelarten in Deutschland 1999. Limicola 19: 1-63.

Deutsche Seltenheitenkommission (2006): Seltene Vogelarten in Deutschland 2000. Limicola 20: 281-353.

Söding, K. (1953): Vogelwelt der Heimat. Recklinghausen.

Van den Berg, A. B. & C. Bosman (1999): Rare birds of the Netherlands. Utrecht.

Anschrift des Verfassers:

Nils Anthes

Torstraße 50

72070 Tübingen