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VdM 05/2016

Die Lachseeschwalben von Nordrhein-Westfalen

Von Eckhard Möller

Es war am 1. September 1909, als Gutpächter Ermgassen vom Gut Niederbarkhausen in Leopoldshöhe-Asemissen (Kreis Lippe) einen Trupp von 14 weißen möwenähnlichen Vögeln über einem Feld sah. Er schoss in den Schwarm hinein und tötete mit seinen Schroten eine adulte und eine junge Lachseeschwalbe (Gelochelidon nilotica) – „eine sehr interessante Beute“ (Behrens 1911).

Abb. 1-4: Die Lachseeschwalbe von Oerath, August 1925. Fotos: Darius Stiels, ZFMK März 2016

Abb. 5: Die Lachseeschwalbe von Haltern, Juli 1993. Zeichnung: Andreas Buchheim (mit Kommentaren der NRW-Seltenheitenkommission)

Abb. 6: Die Lachseeschwalbe von Höxter, Mai 2015. Foto: Hajo Kobialka

Es war damals der fünfte Nachweis dieser seltenen Seeschwalbe in Nordrhein-Westfalen. Als erster gilt ein adultes Männchen, das vor 1852 bei Osterwick (Kreis Coesfeld) geschossen wurde (Bolsmann 1852, Droste 1873). Der Balg wurde in der Sammlung Bolsmann aufbewahrt.

In den 1880er Jahren wurde eine Lachseeschwalbe bei Linnich (heutiger Kreis Düren) getötet. Ihr Balg kam später in die Sammlung des  Erkelenzer Lehrers Edmund Knorr (1885-1979) (Neubaur 1957).

Der dritte Nachweis war ein im Juli 1894 zwischen Laer und Horstmar (Kreis Steinfurt) geschossenes adultes Männchen (Peitzmeier 1969).

Am 16. Mai 1908 flogen „im Kirchspiel Ascheberg“ (Kreis Coesfeld) zwei Lachseeschwalben, von denen eine geschossen werden konnte. Ihr Balg kam in den Besitz des Pfarrers B. Wigger  (le Roi & Geyr von Schweppenburg 1912). Der fünfte Nachweis waren die beiden Vögel von Oerlinghausen.

Im August 1925 musste eine weitere Lachseeschwalbe ihr Leben lassen: H. Houben schoss sie „auf seiner Pferdekoppel dicht am Dorf“ Oerath (heutiger Kreis Heinsberg). Edmund Knorr kaufte später den Balg und übergab ihn dem Museum Koenig in Bonn „für die Rheinische Abteilung“ (Knorr 1967) (Abb. 1-4).

Dann war eine lange Pause von 44 Jahren (!), bis am 19. Juni 1969 Hans-Georg Niermann eine adulte Lachseeschwalbe mit einer Flussseeschwalbe an einer Abgrabung bei Petershagen-Lahde (Kreis Minden-Lübbecke) beobachten konnte. Sie überlebte die Begegnung (Niermann & Ziegler 1975).

Am 21.8.1972 sah Bernhard Koch eine „immature“ an der Ruhr bei Echthausen (Kreis Soest) zusammen mit 12 Trauerseeschwalben (Harengerd 1972). Anerkannt vom „Raritätenkomitee“ der Westfälischen Ornithologengesellschaft. Im „Anhang“ zur Avifauna von Westfalen (Gries et al. 1979) ist als Datum der 28.8.1972 angegeben.

Weitere 21 Jahre später beobachtete Andreas Buchheim am 11. Juli 1993 eine adulte Lachseeschwalbe auf dem Halterner Stausee (Kreis Recklinghausen) (anerkannt von der Deutschen Seltenheitenkommission/DSK 1995) (Abb. 5).

Die nächste Lachseeschwalbe, eine adulte, rastete dann erst am 17. Juli 2005 in den Rieselfeldern in Münster zwischen Lachmöwen (Lars Gaedicke, Andreas Michalik, Holger Lauruschkus, Andrea Klein). Anerkannt von der DSK (2010).

Zehn Jahre später gab es zum ersten Mal in Nordrhein-Westfalen die Situation, dass an zwei verschiedenen Stellen Lachseeschwalben nachgewiesen werden konnten: Am 5. Mai 2015 beobachtete und fotografierte Hajo Kobialka am Freizeitsee Höxter eine adulte (Abb. 6), und am 9. August 2015 entdeckten Peter de Vries und Nicole Feige eine am Himmel über Zyfflich-Niel (Kreis Kleve) (de Vries 2015). Beide anerkannt von der Avifaunistischen Kommission (www.nwo-avi.com).

Lachseeschwalben sind also in Nordrhein-Westfalen selten oder besser sehr selten. Zwischen den einzelnen Nachweisen gibt es Lücken von 44, 21, 12 oder 10 Jahren – und das trotz heute moderner und leistungsfähiger optischer Geräte.

Lachseeschwalben sind auf unserem Planeten weit verbreitet: Im südlichen Europa, in Nordwestafrika, Zentral- und Ostasien, Australien und an den Küsten von Nord- und Südamerika (del Hoyo et al. 1996). Conradt & Ebels (2014) haben die Geschichte der  Populationen in Mitteleuropa ausführlich dargestellt: Von Brutplätzen von bis zu 200 Paaren an Flüssen in Bayern und Baden-Württemberg (vor mehr als hundert Jahren) bis hin zum Aussterben dort. In den 1940er Jahren brüteten bis zu 500 Paare in Jütland und in Schleswig-Holstein. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging es dramatisch bergab. In den 1980er und 1990er Jahren war die durchschnittliche Koloniegröße dort nur noch um die 5 Brutpaare. Die kleine dänische Population brach völlig zusammen, und nur noch südlich der Grenze brüteten wenige Dutzend Paare, und am Ende des 20. Jahrhunderts schien das Ende nahe.

Seit 1995 gibt es nur noch eine kleine Kolonie in Deutschland – nahe der Elbemündung – von etwa 40 Paaren. Erst mit dem Einsetzen von konkreten Schutzmaßnahmen konnte der Bruterfolg seit 2011 deutlich gesteigert werden, so dass es wieder Hoffnung gibt. Nach der Brutzeit ziehen die Lachseeschwalben von dort erst mal zu traditionellen Rastplätzen in den Niederlanden. Offenbar nur sehr wenige wählen östlichere Routen.

Jeder Birder, der eine Lachseeschwalbe auf seiner NRW-Liste hat, kann sich glücklich schätzen…

Danksagung: Mein großer Dank geht an Till Töpfer und Darius Stiels, die die Lachseeschwalbe von 1925 in der Sammlung des Museums König in Bonn aufgespürt (TT) und fotografiert (DS) haben.

Literatur

Behrens, K. (1911): Aus der Vogelwelt. Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld 2: 74-78.

Bolsmann, H. (1852): Verzeichnis der im Münsterlande vorkommenden Vögel. Naumannia 2: 24-38.

Conradt, S. & E.B. Ebels (2014): Gull-billed Terns in north-western Europe: breeding results, conservation and post-breeding movements. Dutch Birding 36: 147-159.

Deutsche Seltenheitenkommission (1995): Seltene Vogelarten in Deutschland 1993. Limicola 9: 77-110.

Deutsche Seltenheitenkommission (2010): Seltene Vogelarten in Deutschland 2009 (mit Nachträgen 2001-2008). Limicola 24: 233-286.

Droste, F. (1873): Beiträge zur Vogelfauna von Westfalen und Lippe. Der zoologische Garten 14: 144-151.

Gries, B. et al. (1979): Anhang zu Avifauna von Westfalen. Abhandlungen aus dem Landesmuseum für Naturkunde zu Münster Westfalen 41, Heft 3/4: 477-576.

Harengerd, M. (1972): Sammelbericht für die Zeit vom 1.7. bis 31.10.1972. Anthus 9: 90-94.

del Hoyo, J., A. Elliott & J. Sargatal (1996): Handbook of the Birds of the World, Vol. 3. Barcelona.

Knorr, E. (1967): Die Vögel des Kreises Erkelenz. Neuss.

Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278.

Niermann, H.-G. & G. Ziegler (1975): Durchzug und Brutvorkommen der Laro-Limikolen im Nordteil des Altkreises Minden/Westf. Alcedo 2: 30.

Peitzmeier, J. (1969): Avifauna von Westfalen. Münster.

le Roi, O. & H. Geyr von Schweppenburg (1912): Beiträge zur Ornis der Rheinprovinz. Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens 69: 1-150.

de Vries, P. (2015): Die Lachseeschwalbe von Niel. www.nwo-avi.com Vogel des Monats Dezember 2015.

Anschrift des Verfassers

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

32049 Herford