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VdM 02/2017

Die Wanderdrossel von Rheindahlen

Von Eckhard Möller

1929 besuchte der Hückelhovener Ornithologe Edmund Knorr (1885-1979) einen Präparator am Niederrhein. In dessen Werkstatt fand er zu seiner Überraschung eine weibliche Wanderdrossel (Turdus migratorius/American Robin), die ihn natürlich sofort neugierig machte. Seine Recherchen ergaben, dass der Vogel im Herbst 1913 bei Mönchengladbach-Rheindahlen von dem Hilfsförster A. Hübner vom Forsthaus Peel geschossen worden war. Dieser hatte die seltene Beute zum Ausstopfen abgegeben, sie aber nicht mehr abgeholt, wohl auch, weil er später nach Polen verzogen war (Knorr 1967).

Knorr erwarb natürlich sofort das Präparat und verleibte es seiner umfangreichen Vogelsammlung ein. Leider sind bis heute alle Recherchen über den Verbleib des kostbaren Balgs ohne Ergebnis geblieben. Knorr (1967) schrieb in seiner Kreis-Avifauna, dass im Zweiten Weltkrieg „alle Erkelenzer Sammlungen bis auf einen kleinen Rest meiner eigenen Sammlung, der verlagert werden konnte“, vernichtet worden seien. Leider wissen wir nicht, ob die Wanderdrossel zu diesem „kleinen Rest“ gehörte.

Wanderdrossel (Turdus migratorius), Männchen, Kalifornien März 2010. Fotos: Christoph Moning

Eine Bitte über NWOrni am 17. Dezember 2013 und in den NWO-Mitteilungen 38/2014  um Informationen über den Verbleib des Präparats ist ohne Resonanz geblieben. Die Wanderdrossel befand sich auch nicht im Bestand des Vogelkundlichen Museums Schloss Wickrath in Mönchengladbach (Michael Stevens brfl. 2014).

Der derzeit letzte Stand unseres Wissens ist, dass die Reste der Knorr’schen Sammlung in das Erkelenzer Gymnasium gekommen sind, wo sie dann „vor Jahren“ offenbar mangels Pflege und wegen Schädlingsbefall entsorgt worden sind (Lars Delling mdl. 2013 per Klaus Hubatsch). Ob die Rheindahlener Wanderdrossel dabei war, wird sich nicht mehr klären lassen.

Neubaur (1957) erwähnt in seiner „Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz“ eine mögliche weitere Beobachtung einer Wanderdrossel in Nordrhein-Westfalen: Am 6. April 1935 „will“ Pfarrer Grünwald in seinem Garten im Remscheid eine „deutlich gesehen haben. Eine Bestätigung dieser Beobachtung wäre sehr erwünscht gewesen“. Neubaurs vorsichtige Formulierungen deuten darauf hin, dass er nicht völlig von den Angaben überzeugt war. Völlig ausschließen kann man deren Richtigkeit natürlich nicht. Immerhin haben Glutz von Blotzheim (1988) und Bauer et al. (2005) diese Angabe übernommen.

Es gibt noch einen weiteren Nachweis einer Wanderdrossel, der wahrscheinlich/möglicherweise in NRW war. In Köln war im alten Stapelhaus am Rhein von 1902 an im Obergeschoss das Museum für Naturkunde untergebracht. Hier stand in der Ausstellung eine präparierte Wanderdrossel, von der nur die Herkunftsbezeichung „Rheinland“ bekannt war. Knorrs Nachforschungen nach weiteren Details blieben ohne Erfolg (Knorr 1967). Ob der seltene Gast aus dem heutigen nordrhein-westfälischen „Rheinland“ stammte oder aus dem Teil der damaligen „Rheinprovinz“, der heute zu Rheinland-Pfalz gehört, wird sich leider nicht mehr klären lassen.

Dieses wichtige Belegstück existiert heute nicht mehr. Das Stapelhaus wurde mitsamt der Museumsausstellung bei Bombenangriffen 1942 und 1944/45 komplett zerstört.

In Niedersachsen wurde am 31. Oktober 1876 bei Upjever-Schortens nahe Jever eine Wanderdrossel gefangen. Ihr Balg wird bis heute im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg aufbewahrt (Fuhrmann & Ritzau 2011).

Die bisher Letzte in Deutschland war ein Weibchen, das am 30. November 2000 südlich von Aken (Kreis Köthen) in Sachsen-Anhalt noch lebend gefunden wurde, aber kurze Zeit später starb. Ihr Balg befindet sich in der Sammlung des Museums Heineanum in Halberstadt (Todte & Nicolai 2001).

Bei unseren niederländischen Nachbarn wurde am 27. April 2014 die erste anerkannte Wanderdrossel entdeckt, ein Männchen im zweiten Kalenderjahr in Noordhollands Duinreservaat, Heemskerk (Bregman 2014, Bregman & Ebels 2015, Haas et al. 2015). Sie wurde nur an diesem einen Tag dort gesehen, aber von über 400 Birdern bewundert.

Bis 2015 wurden in Europa an die 70 amerikanische Wanderdrosseln nachgewiesen, davon etwa 50 auf den Inseln Azoren, Großbritannien, Irland und Island und fast 20 auf dem europäischen Festland (Bregman & Ebels 2015).

Falls in der Zukunft irgendwo in Nordrhein-Westfalen wieder eine lebende Wanderdrossel entdeckt würde, ist eins völlig sicher, nämlich mächtig Aufregung unter den Vogelbeobachtern in ganz Deutschland…

Danksagung: Mein großer Dank geht an Christoph Moning, dessen vorzügliche Fotos wir immer mal wieder nutzen dürfen.

Literatur

Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas, Passeriformes – Sperlingsvögel. Wiebelsheim.

Bregman, L. (2014): DB Actueel: Roodborstlijster bij Heemskerk. Dutch Birding 36: 219-220.

Bregmann, L. & E. B. Ebels (2015): Roodborstlijster bij Heemskerk in april 2014. Dutch Birding 37: 234-237.

Fuhrmann, K. & C. Ritzau (2011): Vögel – Die ornithologische Sammlung des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg. Oldenburg.

Glutz von Blotzheim, U. N. (1988): Handbuch der Vögel Mitteleuropas Band 11/II. Wiesbaden.

Haas, M., R. Slaterus & CDNA (2015): Rare birds in the Netherlands in 2014. Dutch Birding 37: 361-391.

Knorr, E. (1967): Die Vögel des Kreises Erkelenz. Neuss.

Neubaur, F. (1957): Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz. Decheniana 110: 1-278.

Todte, I. & B. Nicolai (2001): Aktueller Nachweis der Wanderdrossel Turdus migratorius für Deutschland. Limicola 15: 157-162.

Anschrift des Verfassers:

Eckhard Möller

Stiftskamp 57

32049 Herford